Die Alm und ihre Schönheit das letzte Mal am Kopf tragen

Der Almsaison klingt besonders farbenfroh aus. Mit reichlich Aufputz geht es für die Almkühe gerade ins Tal. Was hinter dem Kopfschmuck steckt, wer wie „aufgekranzt“ wird und was alles am Kopf landet.

Die Bergspitzen sind schon angezuckert, der Nebel schleicht um Bäume und Wege. Das Almjahr neigt sich dem Ende. Da wird das Grau des Wetters plötzlich mit leuchtenden Farben und lautem Glockenklang aufgerissen. Kühe, Sennerinnen und Senner, Almerinnen und Almer und Hirtinnen und Hirten bahnen sich ihren Weg ins Tal. Mit den Almabtrieben ist in Österreich gerade die Saison am Berg feierlich beendet worden.

Was gibt es da nicht alles zu bestaunen: Der Kopfschmuck der Almkühe ist besonders imposant. Glocken, bestickte Lederschilder, geschnitztes Holz, glänzende Spiegel, zu Kränzen gebundene Zweige, Kräuter und Blumen sowie bunte Bänder und Maschen. Es ist ein Jahrhunderte alter Brauch, der für große Augen sorgt.

Wenn die Almsaison ohne tödliche Unglücke von Vieh oder Mensch geendet hat, darf der Kopfschmuck – traditionell „Maja“ – genannt, in allen Farben bis weit ins Tal hinunter strahlen. Gibt es einen Todesfall zu beklagen, wird der Kopfschmuck aus Respekt nicht „aufgekranzt“, wie es heißt, oder es gibt schlichten Trauerflor (schwarze Banderolen).

Der größte Schmuck für die besondere Kühe

Besonders auffällig werden die so genannte „Milchstafel-Kuh“ und die „Stechstafel-Kuh“ geschmückt. Die Kuh mit dem „Milchstafel-Aufputz“ hat seit der Ankunft auf der Alm die meiste Milch gegeben. Den Stechstaffel-Schmuck bekommt die stärkste Kuh oder Leitkuh, welche die Herde den ganzen Sommer lang angeführt hat. Je nach Rang in der Herde und Alter fallen die Zweige, Blumen und Glocken kleiner aus. Traditionell binden die Almer und Sennerinnen ihre Kränze bis zum Hornschmuck selbst.

Geschmückt sind jedoch nicht nur die Tiere. Sennerinnen und Senner, Hirtinnen und Hirten und Almerinnen und Almer tragen als Zeichen der Verbundenheit zum Vieh auf ihren Hüten, am Jackenrevers oder dem Hirtenstock ebenfalls bunte Blumen und grüne Zweige. So ist Jahr zu Jahr der Almabtrieb besonders strahlend vor lauter Farben, bevor es in die dunkle Jahreszeit und den Stall geht.

Böse Geister vertreiben

In einer Urkunde aus dem Pustertal aus dem Jahr 1746 ist die Tradition erstmal schriftlich belegt. Doch wird vermutet, dass es den Kopfschmuck schon viel früher gegeben hat.

Das Tragen des Kopfschmucks war ursprünglich dazu gedacht, um böse Geister zu vertreiben, und mit Gottes Segen dem Vieh eine gute Rückkehr in den Stall zu wünschen. Deshalb sind auch Glocken und am Kopf befestigte Spiegel fixer Bestandteil der Almabtriebe, so ähnlich wie es zum Beispiel in der Tiroler Fasnacht zum Ende des Winters der Brauch ist.

Reiche Vielfalt am Kopf

Je nach Region besteht der Kopfschmuck aus anderen Elementen: Zweige von Latschenkiefer oder Tannen, Almblumen (Alpenrose, Silberdistel), Heidekräuter (Rosmarin, Salbei, Wacholder, Nelken, Moosbeeren-, Preiselbeerzweige, Vogelbeere), Papierblumen, Kreppbänder, Vogelfedern, Wappen, Kreuze, Heiligenbilder, Lederschilder mit Hofnamen oder Sprüchen, Blumenstickereien, bestickte Halfter.

Holzgestelle oder Lederriemen, auf denen der Schmuck gebunden wird, sorgen für den nötigen Halt. Zweige werden in manchen Regionen außerdem zu Kronen gebunden. Mancherorts finden sich sogar geschnitzte Holzfiguren auf den Kuhköpfen, die Sennerin und Almer symbolisieren.

Jede Region hat eigenen Schmuck: von schlicht bis opulent

In Vorarlberg, heißt es, soll schlichter ausfallen als z.B. in Tirol, wo neben Naturmaterialien von der Alm, auf viele bunte Farben, Papierblumen, bestickte Bänder und Halfter, Heiligenbilder und Sprüche sowie große Zweige oder kleine Fichtenbäumchen gesetzt wird. In Salzburg tragen die Kühe oft aus Holz geschnitzte Schlüssel, was auf die geschlossene Alm hindeutet.
In Oberösterreich findet sich der Brauch vor allem im Salzkammergut. Dort werden Hörner- und Halskränze gerne aufgeschmückt und ebenfalls Spiegel, bunte Papiermaschen und Dankessprüche verwendet. In Kärnten werden zudem Marienbilder, das Landeswappen, handgefertigter Leinenstoff oder Holzspäne „aufgekranzt“. In der Steiermark sorgen angebrachte Metallfolien zusätzlich für leuchtende Effekte. Eine Besonderheit sind filigran geschnitzte Brettchen aus Birkenschwämmen, die im Ennstal zu finden sind. Sie tragen religiöse Motive und Tier- sowie Blumensymbole.
Mit den prächtigen Bildern vom Almabtrieb im Kopf kann der Winter mit seinem Grau und Weiß langsam einziehen.

Almabtrieb in Fügen
(c) Tirol Werbung/Aichner Bernhard
Almabtrieb in Grän-Haldensee
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