Wenn das Läuten der Glocken zu hören ist, kommt Leben auf die Alm. Jedes Jahr verbringen tausende Tiere ihre Sommerfrische im Gebirge. Nicht nur die omnipräsenten Rinder jeden Alters streifen über die Weiden, auch Schafe, Ziegen, Pferde und das gelegentliche Schwein sind anzutreffen – insgesamt über 200.000 Tiere jedes Jahr. Jeder Tierart kommt im Gefüge der Almwirtschaft ihr ganz eigene Funktion zu, mit der sie zur Erhaltung und Entwicklung dieser Kulturlandschaft beiträgt.
Rind ist nicht gleich Rind
Ein breites Spektrum an Altersstufen und Rassen wird auf die Alm getrieben. Die besten Weiden, meist in den niederen Höhenlagen, bleiben den Milch- und Mutterkühen, samt ihren Kälbern, vorbehalten. Erstere werden in der Nähe der Almgebäude gehalten, um das tägliche Melken und den Transport der Erzeugnisse zu vereinfachen. Käse, Butter und Molke gewinnen durch die Almhaltung der Kühe an Qualität; Milch von der Alm enthält proportional mehr Omega-3-Fettsäuren als jene von im Stall gehaltenen Kühen. In der Qualität des Fleisches schlägt sich die Haltung auf der Alm nieder: Viel Bewegung, Höhenluft und Kräuter verbessern spürbar Beschaffenheit und Geschmack – besonders das Almochsen-Fleisch gilt dabei als kulinarische Spezialität.
Ochsen und Jungkühe, die nicht für die Milchwirtschaft im Einsatz sind, können sich meist auch weiter von Hütten und Käsereien entfernen und durchstreifen dabei auch höher gelegenes Gelände. Gerade Jungtiere sind echt Geländespezialisten und können dank ihres geringeren Gewichtes auch auf steileren Hanglagen grasen.
Pioniere und Landschaftspfleger
Nach dem Rind sind Schafe die zweithäufigste Nutztierart auf unseren Almen. Die wolligen Tiere vertragen Kälte gut und sind sehr geländegängig, wodurch sie auch die höchstgelegenen Weiden abgrasen können. Sie sind im Vergleich zu Rindern wählerischer, was ihr Futter anbelangt und beißen ihnen schmeckende Futterpflanzen deutlich kürzer ab, fast wie ein natürlicher Rasenmäher. Durch das kontinuierliche Abweiden der Grasflächen bleiben diese gesund und widerstandsfähig, wodurch den Schafsherden eine nicht unbedeutende Rolle bei der Landschaftspflege zukommt.
Während die Wollproduktion einst im Vordergrund stand, werden die Paarhufer heute in erster Linie ihres Fleisches wegen auf Almen getrieben. Besonders bei Lämmern profitiert macht sich die Almhaltung durch besonders zartes und nährstoffreiches Fleisch bemerkbar.
Im Gegensatz zu Rindern sind Schafe nicht standorttreu, sprich, sie legen gerne weite Strecken zurück und kehren eher selten freiwillig zu ihren Stallungen zurück. Räumliche Begrenzungen mittels Elektrozäunen sind daher die Regel. Bei größeren Herden kommen Hirten zum Einsatz.
Ziegen spielen eine besondere Rolle auf der Alm. Sie gelten als Pioniertiere, da sie auch junge Triebe und Rinden von Bäumen und Büschen fressen. So halfen sie früher mit, Weiden auszudehnen und tragen heute dazu bei, sie zu erhalten. Ihre Geländegängigkeit kann sich mit der der Schafe messen. Ziegen, früher noch verstärkt für die Milchproduktion eingesetzt, wurden nahe der Alm gehalten und nachts eingestallt, um das Melken zu erleichtern. Heute werden meist Mutter- und Galtziegen (= Jungtiere) auf die Alm gebracht, die ihre Standorttreue größtenteils verloren haben, was in den meisten Fällen die Umzäunung ihres Weidegebietes notwendig macht. Zusätzlich ist die Errichtung wetterfester Unterstände eine Pflicht bei der Ziegenhaltung, da die Tiere wetterscheu sind und sich bei Regen gern unterstellen.
„Exoten“auf der Alm
Deutlich seltener trifft man im Almgebiet auf Pferde, die auch jene überständigen Gräser fressen, die andere Tiere verschmähen. Deshalb werden sie häufig auf Weiden geschickt, die zuvor schon von Kühen abgegrast wurden. Eine parallele Haltung von Ross und Rind hat sich nicht bewährt, da Erstere sich in der Rangordnung meist behaupten und die besten Weidegründe beanspruchen. Auf der Alm sind Pferde nicht ihrer Erzeugnisse willen, sondern viel mehr aus Zucht- und gesundheitlichen Gründen. Die Haltung im rauen Bergklima und die gesunde Ernährung stärken die Physis der Tiere und machen sie zu fitteren Sport- und Freizeitgefährten.
Schweine sind auf der Alm am wenigsten weit verbreitet, haben aber eine lange Tradition. Die Molke, die bei der Milchverarbeitung anfällt, ergänzt ihren Speiseplan aus Kräutern und Gräsern. Diese Ernährung und der viele Auslauf tragen deutlich zu einer besonders hohen Qualität des Fleischs des Almschweins bei und machen daraus gewonnene Produkte zu wahren Delikatessen.
Alm-Originale
Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Nutztierarten durch Selektion, Zucht und Evolution perfekt an die Bedingungen auf der Alm angepasst. Die daraus hervorgegangenen, widerstandsfähigen, robusten Tiere gelten zu Recht als echte Originale.
Tiroler Grauvieh
Das Tiroler Grauvieh ist eine perfekt an die raue Bergwelt angepasst Rinderrasse, die schon seit langer Zeit in den Alpen gezüchtet wird. Ursprünglich gab es drei verschiedene Grauvieh-Sorten, die sich Ende des 19. Jahrhunderts jedoch zu der einen Rinderart vereinigten, die wir heute kennen. Heutzutage etwas schwerer gebaut als damals noch, sind die Tiere in ihrem Aussehen nach wie vor unverkennbar: einfarbig silbern bis eisengrau, mittelgroß, Kopf, Hals und Beine sind dunkler gefärbt oder „angeraucht“. Das Grauvieh ist eine Zweinutzungsrasse und wird sowohl für ihre Milch als auch für ihr Fleisch gezüchtet.
Steinschaf
Dieses mischwollige, fruchtbare Schaf eignet sich dank des kräftigen Fundaments und seiner harten Klauen besonders gut das Leben im unwegsamen Gebirge. Das mittelgroße bis große Tier ist leicht erkennbar, denn im harten Kontrast zu seiner seidig grauen Wolle sind Kopf und Beine meist schwarz gefärbt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wäre die Rasse beinahe ausgestorben und gilt auch heute noch als selten bis gefährdet. Das Steinschaf wirft zweimal im Jahr Lämmer, wobei Mehrlingsgeburten durchaus häufig sind. In Sachen Klima ist es nicht wählerisch und beweidet Almen auf bis zu 2.500 Meter Seehöhe. Trotz seiner Genügsamkeit hat es eine gute Milchleistung und wird daher auch für Gebrauchskreuzungen mit Fleischschafrassen eingesetzt.
Haflinger
Mit etwas Glück trifft man auf den Almen auf ein besonders gut angepasstes Pferd: den Haflinger. Die fuchsfarbenen Tiere mit der hellen Mähne weisen mit einem Stockmaß zwischen 140 und 150 Zentimetern einen vergleichsweise gedrungenen Körperbau auf, was ihnen oft fälschlicherweise den Ruf als Pony einbringt. Sie wurden seit jeher für das Gebirge gezüchtet, sind gutmütig, anspruchslos, nervenstark und außerordentlich trittsicher. Nur noch wenige werden in ihrer ursprünglichen Funktion als Pack- und Saumpferde eingesetzt, die meisten dienen heute als Freizeit- und Hobby-Reittiere. Einige Halter, wie der Fohlenhof Ebbs, schicken Teile ihrer Herde im Sommer auf die Alm, wo die Tiere nicht nur ihrem natürlichen Herdenleben nachgehen können, sondern auch an Kraft, Ausdauer und Genügsamkeit gewinnen.