Habel: „Almwirtschaft ist eine zukunftsweisende Bewirtschaftungsform“

…Almen sind ein einzigartiger Lebensraum und für die Biodiversität besonders wertvoll

Zoologe Jan Christian Habel vom Fachbereich Umwelt & Biodiversität der Paris Lodron Universität Salzburg forscht mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Almen. Dem Fachbereich sind zwei alpine Forschungsstationen, die Sameralm am Süd-Abhang des Tennengebirges (Salzburg) und das Almforschungszentrum im Naturpark Riedingtal, angeschlossen. Seit mehreren Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort, und erheben wichtige Informationen zu Landschaften, Pflanzen und Tieren.

In welchen Bereichen erforschen Sie die Almen?

Jan Christian Habel: Bei uns bilden die Almen einen Schwerpunkt in der Forschung und Lehre. Almen sind mitunter das Wertvollste, was es in Österreich bezüglich Biodiversität gibt, weil sie sehr diverse Landschaften darstellen. Almen bestehen aus Wald und offenem Land, das meist extensiv beweidet wird. Das sind sehr gute Grundvoraussetzungen, damit viele zum Teil auch seltene Tier- und Pflanzenarten dort vorkommen können. Die Almen sind im Grunde menschgemachte Lebensräume, die Positives bewirken. Landwirtschaft muss nicht negativ besetzt sein, sondern kann auch für sehr viele wertvolle Lebensräume stehen.

Auf unseren Forschungsalmen werden seit Jahrzehnten Langzeitdaten erfasst. Es gibt z.B. Wetterstationen, die detaillierte Wetterinformationen aufnehmen. Viele unterschiedliche Gruppen haben auf den Almen bisher gearbeitet, darunter sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachgebieten der Geologie, Geomorphologie, und auch Klimatologen, Landschaftsökologen, Botaniker und Zoologen. Momentan nutzen wir unsere Forschungsalmen hauptsächlich für die Lehre.

Wir sind gerade dabei einen neuen Masterstudiengang zu entwickeln, der die Bereiche Umwelt, Klima und Biodiversität abdeckt. Es werden interdisziplinäre Kurse, auch auf den Forschungsalmen, stattfinden und es wird mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen der Geowissenschaft und Biologie, aber auch aus der Soziologie und den Kommunikationswissenschaften zusammengearbeitet.
Gemeinsam mit Studierenden wird in Gebieten rund um die Forschungsalm im Riedingtal geforscht, zur Hydrologie und Geomorphologie, sowie der Biotik, also Tiere und Pflanzen die in diesen Ökosystemen leben. Denn Pflanzengemeinschaften sind abhängig von der Geomorphologie und den Böden, und Lebewesen wiederum sind abhängig von den Pflanzen. Darüber hinaus geht es auch um ökonomische und gesellschaftliche Aspekte, also wie Menschen dort leben und wo sie siedeln, das spielt für die Landschaften ebenfalls eine wichtige Rolle. Im nächsten Jahr wird es eine Doktoratsschule am Fachbereich Umwelt & Biodiversität geben: Sie bietet ein Rahmenprogramm für alle Doktorandinnen und Doktoranden des Fachbereichs. Der Hauptfokus dieser Doktoratsschule liegt auf den Lebensräumen der montanen bis alpinen Stufe. Ganz bewusst werden hierbei sowohl Natur- als auch Kulturlandschaften einbezogen.

Was macht die Almen so wertvoll, um sie wissenschaftlich zu erforschen?

Jan Christian Habel: Die extensive Beweidung im Sommer hat dazu geführt, dass die Flächen durch das Vieh offengehalten werden. Dadurch entstand ein ,Lebensraum-Mosaik‘, in dem es offene und zugewachsene Flächen gibt sowie kleine Moore und Bachläufe, gleichzeitig auch trockene Bereiche mit Felsen und Trockenrasen. Das sind zum Teil Lebensräume, die es woanders kaum noch gibt und die unglaublich artenreich sind.

Viele Arten, die früher auch im Tiefland zu finden waren, kommen heute nur noch in diesen Almgebieten der höheren Lagen vor. Das liegt einerseits am Klimawandel – unten wird es ihnen zu warm –, andererseits auch daran, dass Landschaften in tieferen Lagen durch intensive Bewirtschaftung zerstört wurden; dadurch sind zahlreiche Vorkommen im Flachland erloschen. Diese Tatsache macht die Almen noch wertvoller.

Warum ist die Erhaltung der Almen aus Sicht der Forschung wichtig?

Jan Christian Habel: Der Rückgang von Almen ist fatal und sehr traurig. Wenn eine Alm nicht mehr bewirtschaftet wird, wächst sie zu. Das ist bedauernswert, da diese offenen und artenreichen Flächen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Zuerst ,vergrasen‘ diese Flächen, dann nehmen Gebüsche zu und am Ende etabliert sich ein Wald. Damit gehen artenreiche Wiesen verloren, und mit ihnen die Pflanzen und Tiere.
Die Alm ist eine historisch gewachsene Nutzungsform, die einzigartig ist. Für Landwirte ist es derzeit aber lukrativer das Vieh unten im Stall zu belassen. Für einen langfristigen Erhalt der Almen müssten mehr lokale Märkte geschaffen werden, damit die auf der Alm produzierten Lebensmittel eine so hohe Wertschätzung von der Bevölkerung bekommen, dass es sich wieder lohnt Almen zu bewirtschaften.

Viele denken, dass die Alm eher eine antiquierte, überholte Bewirtschaftungsform ist. Ich bin aber der Meinung, dass es eine hochaktuelle Bewirtschaftungsform ist, eventuell sogar eine zukunftsweisende, von der wir viel lernen können. Das hat auch mit gesellschaftlicher Stabilität zu tun, die wiederum mit der Stabilität von Landschaftsformen zu tun hat.

Ihr wollt mehr von der Wissenschaft von und auf der Alm erfahren? Dann klickt hier.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jan Christian Habel, Paris Lodron Universität Salzburg