Mit dem Jodeln baden gehen

Tjo – i – jo, tjo – i – ri – ti – ri – ti – jo … Jodelkurse sind derzeit sehr beliebt. Sie boomen oder besser brummen. Denn jede Stimme findet beim Jodeln eine Lautfolge, die sie in Schwingung bringt, sagt Jodelexpertin Brigitte Schaal aus Oberösterreich. Sie verrät, was das mit der Badewanne zu tun hat, was hinter dem Jodeln steckt und warum es früher auf den Almen lebensnotwendig war.

Nach der heurigen Almsaison ist vor der nächsten: Wer sich wie früher über die Täler hinweg verständigen will, der hat in der kalten Jahreszeit im Tal jetzt Zeit zu üben. Jodelkurse brummen im wahrsten Sinne des Wortes.

Mitsingen kann eigentlich jeder, tiefe wie hohe Stimmlagen, alle kommen ins Schwingen, meint Jodelexpertin Brigitte Schaal aus Oberösterreich. Sie bietet über das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) Ende November im Bezirk Vöcklabruck einen Kurs an. „Einfach trauen“, rät sie.

Die Melodien sind großteils über 100 Jahre alt und werden nahezu unverändert heute genauso gesungen. „Sie sind keineswegs aus der Mode gekommen, ganz im Gegenteil erfreuen sich die traditionellen Jodler derzeit größter Beliebtheit.“

Frei singen

Beim Jodeln geht gerade nicht vorrangig um genaues aufeinander Abstimmen, um einen strengen Rhythmus oder Text. „Die Melodie gut ins Ohr bekommen und dann frei Drauflos-Singen. Das macht Jodeln so besonders. Nicht lange nachdenken, es muss nicht immer alles perfekt sein, wie wir sonst gerne sein wollen“, kann sich Schaal einen Seitenhieb auf die oft so hohen eigenen Ansprüche nicht verkneifen.

Im Jodler baden

Volksmusik-Legende Lois Neuper aus Bad Goisern habe gemeint, im Jodler muss man sich baden können, erinnert sich Schaal. Beim Jodeln geht es darum, „den Klang zu genießen“. Es könne „richtig wohltuend“ sein. „Nach dem Kurs ist die Stimme zwar vielleicht ein wenig abgesungen, doch man geht beschwingt und energiegeladen heim.“ Fast wie nach einem echten Bad in der Wanne.

Gesungene Lebensfreude

„Jodeln ist ein Ausdruck von jauchzender Lebensfreude“, fällt der begeisterten Sängerin ein weiteres Zitat von Neuper ein. Brigitte Schaal ist mit Volksmusik aufgewachsen, wie sie erzählt. Schon in der Schule in Rosenheim habe sie gern und viel gesungen und gejodelt.

Seit 34 Jahren ist sie in Oberösterreich und hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Schaal arbeitet in der Sammlung Musik im Volksliedarchiv des Landes, hat dementsprechend viele Jodler gesammelt und einige Jodelbücher herausgegeben und Standardwerke neu aufgelegt, z.B. „Jahrhundertweisen. 444 Jodler und Juchezer“ von Josef Pommer oder „Oafach g’strickt und kloavazwickt“. „Manche Jodler gehen ganz leicht, andere sind sehr verzwickt“, sagt Schaal.

Beim Jodeln wird eine Tonfolge ohne bestimmten Text gesungen. Der Klang steht im Vordergrund. Dabei geht es auch um den Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme. Die hörbaren Brüche dazwischen sind typisch beim Jodeln.

Tipps und Tricks zum Jodeln findet ihr HIER.

Hinauf gejuchzt, um sich erkundigen

Ursprünglich wurden Almrufe oder -schreie, so genannte Juchezer, einstimmig gesungen. „So konnten sich die Hirten der verstreuten Almen in der Früh ,zusammenrufen‘. Handy gab es damals ja keines.“ Während beim Juchzen ein veränderbarer hoher Ton schrittweise abfällt, haben Almrufe oft eine festgelegte, aber einfache Melodie. Damit ließ sich leicht feststellen, ob „da drüben“, auf den anderen Almen, alles in Ordnung ist. „Wer keine Antwort erhielt, der ging nachschauen, ob ein Unglück geschehen war“, erzählt Schaal.

Vom Parkplatz auf die Alm

Almrufe oder Juchezer kamen auch zum Einsatz, um das Vieh anzulocken. Außerdem gab es früher den Brauch, dass sich gern Besucherinnen bei Ankunft auf der Alm mit einem Juchezer anmeldeten. Dies drückte die Freude über den geschafften Anstieg aus. Beim Verlassen der Alm schickten die – dazumal vorwiegend weiblichen – Sennerinnen dem Gast einen Juchezer nach.

Die Jodelexpertin erinnert sich noch an „Sennerinnen und gleichzeitig Sängerinnen“ in Bayern bis zum Anfang der 1990er Jahre. „Wenn im Tal beim Parkplatz jemand hinauf gejuchzt hat, wussten sie, dass sie in einer Stunde etwas zum Essen herrichten müssen.“

Im Laufe der Zeit ist Jodeln von einer lebensnotwendigen zu einer geliebten Tradition geworden und auch als Kunstform in die Volksmusik integriert worden. Wer sich also noch nicht traut selbst zu singen: zum Einstimmen auf den nächsten Almsommer machen es einstweilen die zahlreichen Sängerinnen vor.

Kultur auf der ganzen Welt

Diese Art von Verständigung und Singtechnik findet sich in verschiedensten Kulturen auf der ganzen Welt wieder. Die Anfänge gehen auf verstreute Berggebiete zurück. Über weite Distanzen verständigten sich die Bewohnerinnen und Bewohner mit akustischen Signalen wie Jodeln oder besonders in Spanien mit Pfeifen. Auf der kanarischen Insel La Gomera gibt es sogar eine eigene, weltweit einzigartige Sprache, die nur Pfeiftöne enthält. Die „Silbo Gomero“ ist seit 2009 Immaterielles Weltkulturerbe. Seit 1999 wird sie an den Schulen der Insel auch unterrichtet.