Der Wolf bejagt in den Wintermonaten das Wild und wird deshalb häufig als natürlicher Regulator für die Gesundheit des Waldes genannt. Diese Aufgabe hat in Österreich zum Teil auch die Jagd- und Forstwirtschaft übernommen. Wir haben bei Vorarlbergs Landesjägermeister Dr. Christoph Breier nachgefragt, wie sehr der Wolf das Wildmanagement beeinflusst und mit welchen Folgen für Natur und Almwirtschaft zu rechnen ist:
Der Wolf ist wieder nach Österreich zurückgekehrt. Braucht es bei uns Wölfe bzw. haben wir im Wald ein Ungleichgewicht, weil bis vor kurzem keine Wölfe in unseren Wäldern zugegen waren?
Christoph Breier: Der Wolf hat grundsätzlich einen regulierenden Effekt, aber nicht in unserer Kulturlandschaft – hier muss Platz für Wild, Nutztiere und Freizeitgestaltung gleichermaßen sein. Der Wolf stört dieses Gleichgewicht, indem er Wildtiere in sensible Steillagen vertreibt. Dort wollen wir das Wild aber nicht haben, denn das sind meist geschützte Gebiete, wie beispielsweise Schutzwälder. Dadurch wird das kontrollierte Lenken des Wildes immer schwieriger und der Wolf zum Waldzerstörer, das belegen auch bereits erste Studien.
Es bräuchte auch beim Wolf eine wildökologische Raumplanung mit Kern-, Rand- und Freizonen. Damit werden Wildtiere gewissen Regionen zugeordnet und mittels Winterfütterungsstellen versucht dort zu halten: In Freizonen wird das Rotwild stark bejagt, in Randzonen lediglich saisonal geduldet und in Kernzonen darf es sich frei bewegen. Durch diese Lenkungsmaßnahme wird Rotwild von sensiblen Naturregionen in weniger sensible gelenkt. So stabilisiert man Schutzwälder und bewahrt diese vor Verbiss und Schäden. Gleichzeitig sinkt auch der Schadensdruck bei den Jägern.
Dieses Konzept wurde vor 30 Jahren für Vorarlberg erstellt und findet mittlerweile in weiten Teilen des Landes Anwendung. Dass dieses System auch für das Wolfsmanagement angewandt werden kann, hat Schweden bewiesen: Hier wurde im Rahmen der Rentierzucht eine erfolgreiche Zoneneinteilung vorgenommen und Wölfe entsprechend entnommen.
Wie stark beeinflusst der Wolf das Wildmanagement?
Christoph Breier: In den Wintermonaten frisst der Wolf in erster Linie das Wild, denn die Nutztiere fehlen auf der Alm. Dadurch verschiebt sich das Wild von den gewünschten Regionen in sensible Gebiete, das hat einen negativen Einfluss auf unsere Wälder. Wenn es stark schneit, kommen die Wildtiere zwar wieder zurück, aber der sensible Wald ist bis dahin zerstört. Damit steigt auch wieder der Jagddruck auf das Rotwild und das ist nicht Sinn der Biodiversität. Wir wollen Wälder mit unterschiedlichen Bäumen und unterschiedlichen Wildtieren. Wenn Raubtiere den Wald mitregulieren und die Wildtiere verdrängen sowie den Bestand übermäßig verkleinern, sind Wolfsentnahmen notwendig.
Der Wolf wird speziell für die Almwirtschaft zu einer Existenzbedrohung. Immer wieder wird von den Bauern gefordert, dass diese Vergrämungsmaßnahmen setzen können. Welche Vergrämungsmaßnahmen gibt es und was würden diese bewirken?
Christoph Breier: Herdenschutzhunde können zwar die Herde schützen, bergen aber ein großes Gefahrenpotenzial für alle, die sich der Herde nähern – besonders für Wanderer mit Hunden. Bei 700-800 Schafen würde man bereits drei bis vier Herdenschutzhunde benötigen, aber was macht man mit den Hunden von Oktober bis Mai? Die Herdenschutzhunde müssen ständig beim Vieh bleiben und laufend trainiert werden – dieser Aufwand lohnt sich nicht. Herdenschutzzäune wiederum sind in den Alpen nicht oder kaum umsetzbar. Aufgrund von Felsen, Bächen und Steillagen kann man die Schutzzäune nicht so dicht anbringen, dass sie den Wolf von seinem Raubzug abhalten.
Zwei praktikablere Methoden wären die Vergrämung mittels Gummigeschoss und die Narkotisierung der Wölfe mit anschließender Besenderung.
Im Falle eines rechtskräftigen Abschussbescheides: was macht es so schwierig, einen Wolf zu erlegen?
Christoph Breier: Das Problem bei Abschussbescheiden ist, dass sie auf ein bestimmtes genetisches Individuum abgestimmt sind. Der Schadwolf kann aber erst durch eine DNA-Analyse bestimmt und zum Abschuss freigegeben werden. Ein Jäger kann vorweg nicht beurteilen, um welchen Wolf es sich handelt und will keine Strafe riskieren, deshalb kommt es nicht zum Abschuss. Außerdem gibt es kaum rechtsgültige Bescheide, da es immer wieder zu Einsprüchen kommt. Die Wolfsentnahme funktioniert nur, wenn man Schadwölfe sofort und ohne langes Prozedere entnehmen kann. Sonst zieht der Wolf in der Zwischenzeit weiter und ist nicht mehr greifbar.
Wird durch den Wolf die gesamte Almwirtschaft aufs Spiel gesetzt?
Christoph Breier: Durch den Wolf ist die Almwirtschaft in Gefahr – je mehr Wölfe, desto weniger Almen. Bauern müssen mitten in der Almsaison abtreiben und werden diese in Zukunft nicht mehr bestoßen. Hier sind die Politik und die Behörden gefordert: In Europa leben circa 15.000 Wölfe, mit Russland und Ukraine sogar 30.000 Wölfe – von einer Gefährdung kann man also nicht mehr sprechen. Diese problembehaftete Art kann man in manchen Gebieten tolerieren, aber nicht in unserer Kulturlandschaft. In einigen wenigen Nationalstaaten wie Griechenland, Spanien und Frankreich ist die Entnahme bereits möglich, in Österreich, Italien und Deutschland allerdings nicht. Hier ist die EU gefordert, damit der Wolf in Zukunft nicht mehr einen 100-prozentigen Schutz genießt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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