Alm und Tourismus: Wer schöpft den Rahm ab?

„Den Rahm abschöpfen“ – jeder weiß, was diese sprichwörtliche Wendung besagt. Das Rahmabschöpfen stammt ursprünglich von der Alm und wird auch heute noch bei Almkäsereien gemacht. Steht die Milch die Nacht über, kann man mit ein bisschen Geschick und dem richtigen Werkzeug den obenauf schwimmenden Rahm abschöpfen, um daraus das Produkt mit der höchsten Wertschöpfung – wahrscheinlich leitet sich dieses Wort ebenfalls vom Rahmabschöpfen her –, der Butter nämlich, herzustellen. Die lange Einleitung führt zur entscheidenden Frage: Schöpfen Alm – und Tourismus- und Freizeitwirtschaft gemeinsam den Rahm ab? 

Die historischen Wurzeln des Tourismus in Tirol und anderen Alpenregionen liegen auf der Alm. Es waren Bilder, gemalt oder in Reiseberichten erzählt, von dieser so anziehenden Kulturlandschaft, die das Tor zur andernfalls unzugänglichen Bergmajestät aufstoßen, die im Sturm die gutbürgerlichen Stuben des ausgehenden 18. Jahrhunderts eroberten. Als Gegenwelt zur hässlich gewordenen, von den Fabrikschlöten der industriellen Revolution schwarz gefärbten Stadtlandschaften versprachen diese Bilder von der Almidylle und Bergeinsamkeit eine Gegen- und Sehnsuchtswelt. 

Die weitere Geschichte ist bekannt und es ist ganz ohne Zweifel so, dass der Tourismus jenen Wohlstand in die bis dahin bitterarmen Alpentäler gebracht hat und nach wie vor bringt, der deren großflächige Absiedelung verhindert: „Ohne Tourismus wären die Alpen leer“ bringt es etwa Reinhold Messner  auf den Punkt. Nur um nachzusetzen: „Ich bin der Meinung, dass unsere Almbauern zu wenig am Tourismus partizipieren.“ Für Reinhold Messner – und da ist er bestimmt nicht allein – kann also nicht unbedingt von einem gemeinsamen „Rahmabschöpfen“ die Rede sein.

Das gemeinsam Rahmabschöpfen zwischen Alm und Tourismuswirtschaft funktioniert dort am besten, wo Almen mit Ausschank und dem Verkauf eigener Almprodukte ganz direkt mitverdienen an den Gästen, die die Alm besuchen. Aber auch Almen, deren Flächen im Winter teilweise als Schipisten dienen, freuen sich über ein willkommenes Zusatzeinkommen der zahlungskräftigen Seilbahnbranche. Ein großer Teil der heimischen Almen hat freilich so gut wie keinen finanziellen Nutzen aus dem touristischen Aufkommen oder auch den Freizeitaktivitäten der Einheimischen. Obwohl auch diese Almen Wandern, Radfahren, Bergsteigen, Beeren- und Pilzsuchen etc. überhaupt erst ermöglichen. Denn nur aufgrund der primären landwirtschaftlichen Nutzung gibt es dort Wege, gibt es die offene wanderbare und wunderbare Erlebnis- und Erfahrungswelt, die so viele anzieht.

Almbewirtschafter wissen, dass ihre Almen diese Anziehungskraft besitzen und öffnen ganz grundsätzliche ihr Eigentum für diese Form der Nutzung durch die Öffentlichkeit, obwohl sie oft, wie gesagt, pekuniär nicht direkt mitschneiden. Freilich wir argumentiert, dass über öffentliche Gelder aus den diversen EU- und Bundestöpfen für die Almwirtschaft auch diese Form der Nutzung durch die städtische Mehrheitsbevölkerung quasi mitfinanziert wird. Und man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass Brüssel beim Absegnen jener nicht unerheblichen Anteile des Gemeinsamen Agrarbudgets, die auf die Alm wandern, weniger „die paar Almbauern“ im Sinn hat als die Millionen EU-Bürger die sich auf den Almen im Urlaub so gerne tummeln.

EU- und Bundesförderungen für gealpte Tiere und andere Almprämien der öffentlichen Hand hin oder her: reich wird kein Almbauer dabei. Auch das weiß ein „Almbauer“ wie Reinhold Messner ganz genau. Diese Ausgleichzahlungen für die Leistungen, die letztlich der Öffentlichkeit zugutekommen sind ein Minimum und decken bei weitem nicht den um ein Vielfaches höheren Arbeits- und Personaleinsatz der Bewirtschaftung von Almen im Vergleich zu den Gunstlagen im Tal ab. Deshalb der Ruf nach Formen der Partizipation oder anders gesagt, der Ruf nach „gemeinsamem Rahmabschöpfen“ vonseiten der Almbauern an die Tourismus- und Freizeitbranche.

Zum Nachlesen:

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