Brauchtum und Kultur auf der Alm

  • Bräuche, Sitten und Feste rund um das Almwesen

Viele Bräuche, Sitten, Feste und Feierlichkeiten haben sich rund um das Almwesen über die Jahrhunderte entwickelt und werden bis heute tradiert.

Von einer alpenweit einheitlichen Alm-Kultur kann zwar aufgrund der regional stark variierenden Ausprägungen und Eigenarten im strengen Sinn nicht die Rede sein. Gemeinsam ist allen Bräuchen, Festen und Feierlichkeiten aber ihr Ursprung und ihre zeitliche Anknüpfung an die wesentlichen Ereignisse, Abläufe und Erfordernisse der Almsaison:

 

Der Brauch des Anheuerns

Almbesitzer werden spätestens zu Frühlingsbeginn nervös, wenn sie für die kommende Almsaison noch keinen Hirten bzw. Senner oder gar ein ganze Almmannschaft beisammenhaben. In vorindustriellen Zeiten galt der 2. Februar, Maria Lichtmess als das Datum, zu dem Knechte und Mägde (nicht nur das Almpersonal) für ein weiteres Jahr dienstverpflichtet wurden. Auch heute setzen sich viele Almbesitzer diese traditionelle Deadline, allerdings wird es immer schwieriger, sie auch einzuhalten. Sind Almbesitzer und angehender Älpler handelseins geworden, so gibt es in manchen Regionen den Brauch, den Handschlag mit einer „Hoar“ (Heuer) also einem symbolischen Geldbetrag zu bekräftigen. Der dergestalt „verhoarte“ angehende Älpler kann dann nicht mehr ehrenhaft von seinem meist nur mündlich vereinbarten Vertrag zurücktreten. Erfahrene Älpler empfehlen freilich vor allem unerfahrenen Alm-Aspiranten die schriftliche Festlegung der genauen Rahmenbedingungen.

 

Almauftrieb

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war der Almauftrieb mit manchmal mehrtägigen Fußmärschen für Vieh und Hirten verbunden. Dabei wurden den Kühen, je nach Gegend, große Glocken umgehängt. Im Gegensatz zum Almabtrieb (Alpabfahrt) wurden die Tiere nicht festlich geschmückt.

In Österreich werden die Tiere heute meist mit Viehtransportern zu den Almen befördert. Aber auch heute wird das Überstellen der Tiere auf die Alm und die Übergabe derselben in die Obhut des oder der Almhirten/sennen von einer Art feierlichem Ernst begleitet.

Traditionell festlich aufgezogen wird hingegen noch in einigen Gegenden in der Schweiz. Besonders bekannt ist der Alpaufzug im Appenzellerland, wo heute noch die schweren Glocken mit den reich verzierten Riemen für den feierlichen Alpabtrieb vom Alppersonal auf die Alp hinaufgetragen werden. In der Innerschweiz wird das Vieh noch vielerorts zu Fuß auf die Alpen getrieben. Bekannt ist der spektakuläre Alpaufzug auf die Engstligenalp im Berner Oberland, wobei etwa 500 Stück Vieh zu Fuß auf einem spektakulären Saumweg durch die Felswand neben den Engstligenfällen hinaufgetrieben werden.

 

Almfeste und Gottesdienste

Den „Launen der Natur“ wesentlich stärker, unmittelbarer ausgesetzt auf der Alm als in den vergleichsweise geschützten, gezähmten Tallagen, war und ist die Angewiesenheit auf „Gottes Segen“ eine zentrale Erfahrung. Diesen Segen zu erbitten hat bis heute eine durchgängige Tradition. Kaum eine Alm, die deshalb nicht mindestens einmal pro Saison im Rahmen eines Almfestes bei einem Gottesdienst, meist unter freiem Himmel, diesen Segen erfleht.

 

Almerer-Treffen

Abgesehen vom Bemühen aller Almbewohner um eine gute und das heißt vor allem konfliktfreie Nachbarschaft und der ganz selbstverständlichen Nachbarschaftshilfe im Notfall, bringt die ausfüllende tägliche Arbeit und die oft weite Distanz zwischen den Alm-Unterkünften es mit sich, dass wenig zwischenmenschlicher Austausch stattfindet. Um dem entgegen zu wirken gibt es in manchen Regionen die Tradition von abendlichen Almerer-Treffen, wo dann Sorgen, Nöte, Erfolge und Anekdoten ausgetauscht werden in geselliger Runde. 

 

Die Gru-Nacht

Die Gru-Nacht auf den Almen im Tiroler Unterland ist die letzte Nacht vor der Heimfahrt der Almerer mit ihren Tieren ins Tal, und wird (meistens) dementsprechend (feucht)fröhlich begangen. Die Almbauern, Familie und Nachbarn des Almingers treffen sich in der Hütte zu einem deftigen Essen und einem gemütlichen „Hucker“. Auf manchen Almen wird noch ein Melchermus zubereitet. Die Speise aus Milch, Mehl, Salz und Butter wird einer speziellen Eisenpfanne auf offenem Feuer zubereitet.

Bei der Gru-Nacht ist auch immer ein bisschen Wehmut dabei. Und manchmal wird auch eine Art gegenseitiges Feedback über die Zusammenarbeit während der Almsaison zelebriert. Möglicherweise steckt in der Silbe Gru das Wort Groll. Jedenfalls trägt die Gru-Nacht mancherorts auch den Charakter einer Abrechnung zwischen den Almerern innerhalb einer Mannschaft, bei der das eine oder andere Mal neben Worten auch Handfestes ausgetauscht worden sein soll.

 

Almabtrieb, Aufbischen, Almererfest

Zeitig am nächsten Tag werden die Tiere gemolken, die restlichen Sachen gepackt und die Kühe geschmückt (was man auch „aufbischen“ nennt). Die Vorbereitungen dazu dauern viele Tage. Speziell die schönen Blumen aus Krepppapier, die die Bäuerinnen machen, nehmen viel Zeit in Anspruch. Das Aufbischen selbst ist ebenfalls eine zeitaufwändige Angelegenheit, bei der starke Nerven und ruhige Gelassenheit gefragt sind. Nicht jede Kuh erkennt in ihrem Kopfschmuck und der mächtigen Glocke sofort die damit verbundene Ehre und gebärdet sich entsprechend ungehalten. Erfahrene Veteraninnen freilich, versichern ihre Besitzer, tragen diese Insignien mit Stolz.

Umrahmt wird der Almabtrieb in vielen Gegenden schließlich von einem Handwerks- und Bauernmarkt mit anschließendem ausgelassenem Feiern bei Musik und Tanz. Ein Fest für Heimische und Gäste und natürlich besonders für die Heimfahrer von der Alm.

 

 … und die Geschichte vom Bart

Übrigens: Fast alle „Almerer“ lassen sich auch heute noch während der Sommermonate einen Bart stehen. Der Bart kommt erst weg, wenn die Almmitarbeiter von den jeweiligen Bauern bezahlt wurden – eine alte Tradition, die in vielen Gegenden Tirols noch gelebt wird.

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