Beweidung und Artenvielfalt sind keine Gegensätze

…Salzburger Almweideprojekt leistet einen großen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt auf Almflächen und für die Schutzfunktion unserer Almen

Unsere Almen sind ein sehr wesentlicher und wertvoller Teil der bergbäuerlichen Kulturlandschaft. Sie sind nicht nur wichtige Produktionssparten für unsere Landwirtschaft, sondern spielen auch eine bedeutende kulturelle und touristische Rolle. Aus diesen Gründen und vor allem zum Erhalt dieser wertvollen Kulturlandschaft wurde in Salzburg im Jahr 2019 bereits das zweite Mal ein Almweideprojekt ins Leben gerufen. Der Text stammt von Petra Fürstauer-Reiter von der Almwirtschaftsberatung Invekos der Landwirtschaftskammer Salzburg.

In enger Zusammenarbeit mit Siegfried Steinberger von der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft steht einerseits die Anpassung der Almwirtschaft an den Klimawandel sowie die Erhaltung und die Wiederherstellung von wertvollen Almflächen im Vordergrund. Nach zwei Jahren konnten schon sichtbare Verbesserungen auf den Projektalmen beobachtet werden. Andererseits ist die Erhaltung der Artenvielfalt und Biodiversität auf den Almflächen ein weiterer zentraler Schwerpunkt des Projektes. Ein standortangepasstes Weidekonzept leistet daher einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt.

Wertvolle Almfläche geht verloren – dem muss entgegengewirkt werden
Unsere Almen werden seit Jahrhunderten als Weideflächen genutzt. Dabei hat die Beweidung einen entscheidenden Einfluss auf die Offenhaltung dieses Landschaftsraumes. Werden Almen nicht ausreichend beweidet, so nimmt der Bewuchs mit Zwergsträuchern, Erlen, Latschen, etc. von Jahr zu Jahr zu. Wenn Zwergsträucher und später Gehölze die Almflächen zurückerobert haben, stehen diese Flächen, die einst Grundlage für unsere wertvollen Almprodukte waren, nicht mehr zur Verfügung. Und auch die bunten Almblumen, die uns bei jeder Wanderung erfreuen, verschwinden, weil sie überwuchert werden.

Auf den Salzburger Projektalmen konnte man schon nach kurzer Zeit erkennen, dass die Beweidung den Bewuchs mit lichtbedürftigen Kräutern und Almpflanzen fördert und sich diese somit wieder besser entfalten können. Nicht nur Pflanzen profitieren davon, denn mit ihnen kommen unzählige Kleintiere, wie Bienen, Schmetterlinge, Käfer u.a. auf die Almwiesen zurück. Durch die Auflichtung des Pflanzenwuchses bzw. dem Verdrängen von Zwergsträuchern werden zudem die bodennahen Luftschichten stärker erwärmt und somit wärmeliebende Pflanzenarten gefördert.

Weidemanagement unterstützt die Biodiversität
Im Rahmen des Salzburger Almweideprojektes wird das „magische Dreieck der Almbewirtschaftung“ umgesetzt, das als zentralen Punkt unter anderem eine der Alm angepasste Koppelhaltung beinhaltet. Durch die Weideruhe zwischen den einzelnen Umtrieben haben die Almpflanzen ausreichend Zeit sich zu entfalten. Die einzelnen Koppeln sorgen zudem auch dafür, dass Flächen, welche von Tieren nicht so gerne beweidet werden (z.B. Hangbereiche) wieder von Almtieren begangen und abgeweidet werden, um hier eine Verbuschung und Verstrauchung zu verhindern. Somit wird den schwächeren Almpflanzen ausreichend Licht und Platz zur Entfaltung geschaffen. Denn verschwinden Weideflächen, verschwinden auch die Pflanzen- und Tierarten, denn sie sind auf diesen Lebensraum angewiesen.

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der beim Salzburger Projekt deutlich sichtbar wurde ist, dass durch den Vertritt und Verbiss der Flächen sich winzige Risse im Ökosystem ergeben, die wiederum anderen Insekten und Lebewesen neue Lebensräume bieten. Zudem fördert die Almweide die Humusbildung und erhöht dadurch die Bodenfruchtbarkeit. Weidetiere schaffen so einen Lebensraum für viele unterschiedliche Arten in einer reich strukturierten Almlandschaft.

Aktive Almwirtschaft und ihre Schutzfunktion
Durch eine standortgerechte Bewirtschaftung der Almen kann aber auch das Gefahrenpotential hinsichtlich Naturkatastrophen sichtbar minimiert werden. Auch in diesem Bereich kommt der Almwirtschaft eine große Bedeutung zu, denn durch kontrollierte Weideführung mit Behirtung oder Koppelung und durch entsprechender Almpflege können Bedrohungen durch Muren oder Lawinen stark vermindert oder vermieden werden.

Wird die Bewirtschaftung der Almflächen aufgelassen, bildet sich langhalmiger, überständiger Graswuchs, der sich dann wie ein dichter Filz auf den Boden legt. Im Sommer verhindert diese Schicht das Versickern des Wassers und führt zu einem erhöhten Oberflächenwasserabfluss bei Starkniederschlagsereignissen. Dies kann dann zu Überflutungen in den Tallagen führen. Im Winter wird diese Altgrasschicht zu einer idealen Gleitfläche für die Schneedecke. Das Risiko des Schneegleitens und der Bildung von Lawinen ist deshalb auf unbewirtschafteten Almen wesentlich höher als auf bewirtschafteten.

Das Salzburger Almweideprojekt zeigt, dass eine standortangepasste Beweidung einer der Schlüssel zum Schutz unserer artenreichen Almwiesen und der biologischen Vielfalt ist. Die Erhaltung unserer aktiven Almwirtschaft stellt einen wesentlichen Aspekt hinsichtlich des Schutzes vor Naturgewalten dar.

Interviews zu Biodiversität, Kultur- und Naturlandschaft sowie Schutz vor Naturkatastrophen könnt ihr hier nachlesen:

• Zoologe Haberl: „Almwirtschaft ist eine zukunftsweisende Bewirtschaftungsform“
• Soziologe Schermer: „Almen geraten von vielen Seiten unter Druck“
• Katastrophenmanager Resch: „Almen sorgen für größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturkatastrophen“
• Almfuchs erklärt, wie hängen Lawinen und Almpflege zusammenhängen