Hans Reiter sitzt vor seiner Hoisnradalm auf 969 Metern Seehöhe über der Kaiserstadt Bad Ischl im Salzkammergut, als wir in Anfang März am Telefon erreichen. Die Sonne kündigt den Frühling schon an. „Es hat 15 Grad, das ist doch recht warm. Heuer war es ein Auf und Ab mit dem Schnee, normalerweise haben wir sehr viel heroben“, erzählt der 63-jährige Oberösterreicher. Mit dem Schnee kennt sich Reiter aus. 22 Jahre war er im Winter „Skilehrern“, wie er es nennt, „und ab dem Frühjahr immer auf der Hoisnradalm.“ Damit ist er ein Beispiel von vielen leidenschaftlichen Almern und Almerinnen, die ihre Zeit zwischen Saisonarbeit und Almarbeit aufteilen – und am liebsten sommers wie winters gar nicht wegwollen von ihren geliebten Bergen.
Von Milchviehhaltung zu Yaks
Die Hoisnradalm kann auch beispielhaft für den Wandel unserer Almen stehen. Denn sie ist – wie Reiter im Gespräch gleich zu Beginn betont – keine Alm im streng almwirtschaftlichen Sinn. Nicht mehr. Die Alm, deren Grundstein um 1800 gelegt worden ist, kam 1930 in den Besitz von Familie Reiter. Sie wurde zunächst verpachtet und ab 1948 selbst bewirtschaftet – bis in die 1970er Jahre von Großvater und Vater Reiter Senior mit Milchkühen. Doch ohne Stromanschluss – bis heute übrigens – wurde die Milchviehhaltung mit den neuen Anforderungen zu aufwendig. „Dann hatten wir auch schon eine Schafweide und Ziegen und zwischenzeitlich ist die Alm auch brach gelegen“, erzählt Reiter. Er hat fast sein ganzes Leben hier verbracht. „Ich bin damals als kleiner Bub mit den Skiern in die Schule gefahren und, später, außerhalb der Saisonen auch immer auf dem Hof geblieben. Es ist meine Heimat.“ Im Winter ist Reiter an den Wochenenden „heroben“, in der Almsaison, die hier in Perneck im Mai beginnt, die ganze Woche.
Die Hoisnradalm ist jetzt vor allem ein Ausflugsgasthaus mit Weideflächen von fünf Hektar und Bestoßung durch benachbarte Landwirte. „Das Weidevieh ist bunt gemischt, wir haben Jungvieh, und hatten zur Nachbeweidung Schafe. Die Viecher beleben alles heroben“, findet der Oberösterreicher. Selbst hält Hans Reiter seit einem Jahr eine besondere Rasse: Aladin, Gisela und Sendi sind schwarzhaarige Yaks, robuste, aber sanftmütige Rinder aus Zentralasien, die das ganze Jahr am liebsten draußen auf der Weide verbringen. „Jetzt im März erwarten wir Junge und ich möchte noch vor dem Almsommer einen größeren Unterstand bauen“, berichtet Reiter vom neuen Leben. „Ich möchte die Herde vergrößern und in späteren Jahren auch das Fleisch verkaufen. Es ist sehr gefragt, weil es von besonderer Qualität ist, da Yaks auf der Weide geschossen werden und somit null Stress bis zum Schlachten haben.“ Bis es aber so weit ist, wird es noch einige Jahre dauern.
Beliebtes Ausflugsziel
In der Zwischenzeit kümmert sich Reiter mit seinen beiden erwachsenen Töchtern um die Ausflugsgäste. „Was wir bräuchten, sind Aushilfen, die bei schönem Wetter mithelfen können.“ Denn vor allem an den Wochenenden ist die Hoisnradalm ein beliebtes Ausflugsziel, „mit bis zu 500 Leuten, wenn das Wetter passt“. Die Alm ist – je nach Route – in zwischen 40 Minuten und zweieinhalb Stunden erreichbar: über Perneck und Hinterrad führt ein kurzer Weg, über den Kaiser-Jubiläumsweg von Hinterstein aus sind es eineinhalb Stunden, oder anspruchsvoller über die Rettenbach Mühle, Rettenbachklamm und Gschwendtalm in 2,5 Stunden. Rund um die Alm gibt es zahlreiche Mountainbike-Routen. So tut sich je nach Strecke der Blick zum Wolfgangsee oder die Stadtkulisse von Bad Ischl auf. Wer weiter zur Kolowratshöhe fährt oder geht, dem präsentiert sich der Dachstein.
Im Sommer ist die Hoisnradalm von Mai bis Ende Oktober geöffnet und an den Winterwochenenden, wenn es schön ist. „Es ist in erster Linie ein Ausflugsgasthof. Wir haben aber keinen Strom und keine Zufahrtsstraße“, erzählt Reiter. Mit einer Photovoltaikanlage und einem Notstromaggregat stemmt er den Betrieb. „Das hat bis jetzt – auch mit der Bewirtung der Gäste – gut hingehauen. Man kämpft sich eben so durch.“ Geboten werden den Gästen Kasknödel, Suppen, Würstl, Jausenbrote und – wenn die Zeit reicht, manchmal auch Kaiserschmarrn, Schweinsbraten oder Schnitzel. „Unsere Stammgäste würden sich auf ein paar Almfeste freuen, das gehört auf der Alm dazu. Doch ist das schwierig zu bewerkstellligen, weil es nicht einfach ist Personal zu finden.“ Ohne Zufahrtsstraße, ohne Stromnetz, ohne Fernseher und ohne Wlan – „wer tut sich das von den Jungen noch an?“, fragt sich Reiter. „Dafür kannst du hier super Mountainbiken und Klettern gehen.“
Personal wird gesucht
Wie vielerorts wird also händeringend Personal gesucht, da sind unsere Almen keine Ausnahme. Reiter hat alle Hände voll zu tun. „Ich brauche keinen Fernseher. Ich stehe um 4 Uhr auf, mache ein wenig Sport und spätestens um 5.30 Uhr gehe ich um’s Haus, erledige Arbeiten, hacke Holz. Rund herum ist immer was zu tun. Im Sommer komme ich vor Mitternacht oder 1 Uhr Früh nicht zur Ruhe, und dann möchte ich nur noch ins Bett.“
Sorgen um die Zukunft kommen bei ihm zwar keine auf, seine Töchter sind sehr engagiert. Doch Gedanken um seine Alm macht er sich schon. „Ich bin jetzt 63 Jahre alt und weiß nicht, wie lange es die Alm noch geben wird. Meine Töchter sind interessiert, können aber ohne Personal nicht viel machen. Ich glaub‘ schon, dass wer weiter tut, ob das mit Gastwirtschaft ist oder reduziert, weiß ich nicht. Wie es sich entwickelt, wird man sehen“, sagt Reiter. Da ist sie, diese Ruhe, in die sich Zuversicht und starkes Vertrauen mischt, auf alles, was da noch so kommen mag. Tag für Tag arbeiten, und man wird sehen. Erst einmal sind die Yaks an der Reihe, mit ihrem Nachwuchs vergrößert sich die Tierschar auf der Hoisnradalm.
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