Sie war im Dämmerschlaf, die Vierkaseralm auf 1590 Metern Seehöhe am Untersberg vor den Stadttoren Salzburgs im Flachgau. 62 Jahre lang. Die Hütte aufgelassen und zusammengefallen. Die Almflächen verbuscht und zugewachsen. Der Steig hinauf nur für sehr sportliche Wanderer passierbar. Kein grasendes Weidevieh. Keine Bewirtschaftung. Keine Zukunft. Bis Sebastian Feldbacher aus Großgmain mit seinem Traum und viel Mühe der Vierkaseralm vor zwei Jahren neues Leben einhauchte.
2020 hatte der 31-jährige Jungbauer begonnen – zusammen mit Unterstützung von freiwilligen Helfern – die Alm im Flachgau Stück für Stück wieder herzustellen. Zunächst wurde der Weg in Stand gesetzt und kuhtauglich gemacht. Anschließend wurden etliche Kubikmeter Büsche beseitigt und Flächen eingezäunt. Rein futterbare Fläche sind derzeit 8,5 Hektar, bei einer bewirtschafteten Fläche im oberen Teil der Alm von 45 Hektar und einer Gesamtfläche von insgesamt 85 Hektar.
Nach unzähligen Stunden schweißtreibender Arbeit, stundenlangen Märschen und viel Herzblut jedes Einzelnen, jeder Einzelnen konnte 2022 im zweiten Almsommer von Juni bis September schon ein Dutzend Tiere, vor allem Jungrinder und Ochsen, auf der Vierkaseralm weiden. 2021 waren bei Sebastian Feldbachers erstem Versuch fünf Stück Weidevieh auf die Alm geschickt worden. „Aktuell gehe ich nur mit meinen eigenen Pinzgauer Rindern hinauf. Zwischen 10 und 12 Rinder werden es heuer wieder sein. Mein Ziel ist es in den nächsten Jahren das Fleisch selbst zu vermarkten.“ So hat Feldbacher heuer im Februar schon die ersten Pakete Fleisch vom „Untersberger Almweideochsen von der Vierkaseralm“ vertreiben können.
Almschwenden ist derzeit die Hauptarbeit
Die Hauptarbeit lag in den ersten beiden Jahren und liegt derzeit aber noch im Zurückdrängen der Verbuschung, im Freischneiden der Almflächen. Almschwenden nennt sich die mühevolle, aber lohnende Arbeit. Mit dem Alpenverein Salzburg besteht seit Beginn eine „nachhaltige Kooperation.“ Im August 2022 hat der umtriebige Jungbauer mit dem Alpenverein eine so genannte Umweltbaustelle veranstaltet. „Am stärksten Tag haben 17 Ehrenamtliche beim Schwenden geholfen. Manche kommen, weil es ihnen taugt, andere bringen sich ein, weil sie das Projekt am Untersberg, dem Hausberg der Salzburger, toll finden“, erzählt Sebastian Feldbacher, der hauptberuflich als Baggerfahrer tätig ist und neben der Ausbildung zum Landwirtschaftlichen Facharbeiter auch die Jagdprüfung abgelegt hat.
1700 Stunden ehrenamtliche Arbeit
„Ich schreibe für mich ein Almtagebuch: Wenn ich auf die Alm hinaufgehe, notiere ich, wo das Vieh war, was ich gemacht habe und wie viel Reinarbeitszeit ich gemacht habe. Die letzten Jahre sind so 1700 ehrenamtliche Stunden zusammengekommen“, sagt Feldbacher nicht ohne Stolz – und das zu Recht. In Zeiten, in denen im Alpenraum immer mehr Almen aufgelassen werden, ist das Projekt des Salzburgers mit seinen tatkräftigen Unterstützerinnen und Unterstützer ein herausragendes.
Aus Hirngespinst wurde Wirklichkeit
Die Gründe für seine Initiative liegen in Feldbachers persönlichem Schicksal. „Ich habe mir das Hirngespinst gesetzt, die Alm zu bestoßen und wieder zu bewirtschaften – und nicht gewusst, ob es in Erfüllung geht und wie ich es angehen soll“, erzählt er uns am Telefon. Nach einem schweren Arbeitsunfall 2018, hatte Feldbacher mit seinem jungen Leben „fast abgeschlossen“. „Ich habe mich aber ins Leben zurückgekämpft, war 18 Wochen auf Reha in Bad Häring und bin danach noch einige Zeit im Rollstuhl gesessen und war lange im Krankenstand zuhause. Da hat es viel Zeit zum Nachdenken gegeben.“ Seine Gedanken hätten sich immer wieder um die Vierkaseralm gedreht, die hatten seine Großeltern einst mitbewirtschaftet. „Als Kind war ich schon immer gerne auf der Alm. Mit den Jahren habe ich sehr wehmütig dem Verfall der Almhütte zugeschaut und mir gedacht, schade, dass wir nicht mehr heroben sind und die Almfläche so zuwächst.“
Mit Naturschutz und Jagd im Einklang
Diese Bilder im Kopf gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Die Almfläche am Untersberg wird Jahr für Jahr zurückerobert, von Mensch, Weidevieh und Wildtier. Almwirtschaft, Natur und Jagd gehen am Salzburger Untersberg gemeinsame Wege, das beobachtet Sebastian Feldbacher hautnah. „Letztes Jahr bin ich zum Beispiel von der Alm gegangen und elf Stück Auerwild sind mir über den Weg vor die Füße gelaufen. Das war ein schönes Erlebnis. Oder es war Hirschbrunft im September und die Hirsche sind mitten unter den Kühen gestanden. Es ist für mich sehr besonders, wenn Wild und Weidetier so im Einklang sind und ohne Probleme aufeinandertreffen.“
Nachahmer erwünscht
Die Zukunft der Vierkaseralm scheint gesichert. Das würde sich Feldbacher auch für andere bedrohte Almen in Österreich wünschen. „Mich täte es freuen, wenn mehr junge Leute Almen wieder bestoßen würden. Denn es gibt in fast jeder Region Almgebiete, die verloren gehen, weil sie aufgelassen oder Rechte verkauft werden.“ Das hat fatale Folgen für die Natur- und Kulturlandschaft und die Biodiversität. „Die Almen sind für unsere Kulturlandschaft, für das Wild und die Natur sehr wichtig. Bei mir auf der Alm ist unterhalb ein Lawinenhang, wo 2008 eine schwere Lawine abgegangen war. Jetzt wird der Wald aufgeforstet. Von der bewirtschafteten Alm profitiert auch der Lawinenschutz, weil sich das Wild jetzt mehr auf der freien Almfläche aufhält und nicht im Lawinenkegel, wo der Jungwald nachwächst.“
Gefragt nach dem Lohn für die anstrengende Arbeit fallen dem 32-Jährigen zuallererst die vielen verschiedenen wertschätzenden Rückmeldungen ein. „Besonders schön ist das positive Feedback der Menschen, das mich bestärkt. Es fühlt sich richtig an, die Alm wieder zu bewirtschaften.“ Für Feldbacher steht auch fest: „Es ist Naturschutz, der gelebt wird.“ Dabei kann er sowohl auf die Unterstützung des Alpenvereins Salzburgs als auch auf jene von Grundeigentümer, Salzburgs Landesjägermeister Max Mayr-Melnhof setzen. Außerdem begleiten Forscherinnen und Forscher der Universität Salzburg die Revitalisierung der Alm mit wissenschaftlichen Dokumentationen. Aus Sicht dieser verschiedenen Seiten lohnt sich die Arbeit rund um die Vierkaseralm am Untersberg. Aus dem Dämmerschlaf sind traumhafte Ausblicke für die Zukunft unserer Almen geworden.
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