Trockensteinmauern sind besonderes Kulturerbe im Alpenraum

…sie trotzen seit 7.500 Jahren dem Wetter rund um unsere Almen: Trockensteinmauern dienen als Begrenzungen und sind ein besonderes, altes Handwerk. Die imposanten Steinmauern wären fast in Vergessenheit geraten, wäre da nicht eine engagierte Gruppe aus Niederösterreich und Oberösterreich.

Stein auf Stein auf Stein auf Stein – Trockensteinmauern sind simpel aufgebaut und doch nicht so einfach wie sie auf den ersten Blick scheinen. Zum Bau werden nämlich keine anderen Hilfsmittel verwendet, kein Zement oder andere Füllmasse. Die unterschiedlichen Steine, Brocken und Platten werden per Hand übereinandergelegt, sodass meterlange Einfriedungen entstehen. Wahrlich kein leichtes Unterfangen. Wenn es gelingt, sind die Mauern jedoch für die Ewigkeit, zumindest fast. Denn das alte Wissen um das Handwerk wäre beinahe in Vergessenheit geraten.

Jahrtausendealte Tradition auf unseren Almen
Seit 7.500 Jahren soll es Trockensteinmauern, die auch Wälle oder Steinhag genannt werden, in unseren Almgebieten als Einfriedungen geben, berichten die Niederösterreichischen Nachrichten. Wer mit offenen Augen über die Almwiesen wandert, findet mit etwas Glück noch Reste der ehemals häufig vorkommenden Steinmauern – oder neue Aufbauten. Denn seit 20 Jahren wird dem alten Handwerk neues Leben eingehaucht. Um es vor dem Vergessen zu bewahren, hat Rainer Vogler aus Sitzenhart im niederösterreichischen Schmidatal eine Schule für Trockensteinmauern gegründet. Selbst baut er seit mehr als 20 Jahren Trockensteinmauern, die übrigens auch in Weinbaugebieten geschätzt sind. Vogler suchte 2021 für das Handwerk zum Bau der Trockensteinmauern außerdem erfolgreich bei der UNESCO um Aufnahme in die nationale Liste als immaterielles Kulturerbe der Menschheit an.

„Die Errichtung von Trockensteinmauern ist als bäuerliche Arbeitstechnik […] seit der Bronzezeit durch Siedler und Bauern geübtes Handwerk, wie Jahrtausende überdauerte Steinbauten als stumme Zeugen eindrucksvoll bezeugen“, schreibt der ehemalige Alminspektor Oberösterreichs Siegfried Ellmauer im UNESCO-Schreiben und verweist auf ein Standardwerk von Rudolf Kober (Alpverbesserungen, Wien-Leipzig 1937). Schon am Hallstätter- und Halleiner Salzberg, am Kupferbergbau Mitterberg (Hochkönig) und auf der Kelchalpe in den Kitzbüheler Alpen seien „von den keltischen Bergleuten“ Trockensteinmauern aufgestellt worden. Sie dienten laut Ellmauer zum Beispiel:

  • als „rechtwinklige Steinfundamente für Holzblockbauten,
  • bogenförmige Alpterrassen in Hanglagen zur Schaffung von Lagerplätzen und Weideland,
  • als in Steilhängen angelegte Hangmauern,
  • als einfache Steinhütten, d.s. wettergeschützte Behausungen für Viehhirten oberhalb der Waldgrenze,
  • als Wälle und Umzäunungen nahe der Hütten auf Hochalmen,
  • der Sicherung von Eigentumsgrenzen und
  • Einteilung von Weideland in Fresskoppeln“.

Arlinger Steinhag überdauert Jahrhunderte
Bis heute wird in Oberösterreich oberhalb von Spital am Pyhrn am Großen Pyhrgas (2.244m) zwischen der Arlingalm und Brandner Alm der Arlinger Steinhag erhalten. Einst wurde der Steinwall von Almbauern des Mittelalters als Grenzwall aufgestellt. Ende Mai 2023 haben ihn engagierte örtliche Almbauern, Freiwillige und Kursteilnehmer gepflegt und um zwei Infotafeln ergänzt, berichtet Siegfried Ellmauer.

„Teile des Steinhages wurden im Laufe der Zeit durch Schneeschub, Windwürfe und natürliche Bodensetzungen beschädigt. Die Folge ist, dass an diesen Stellen Weidevieh wie Rinder wegen zu niedriger Mauerkrone in die Nachbaralm überwechseln kann und deshalb Störungen im sommerlichen Weidebtrieb entstehen.“ Um den Arlinger Steinhag zu erhalten, wird er seit 2016 erneuert und es finden regelmäßig Praxistage und Kurse statt. Dabei werden die umliegenden „Almweiden von locker liegenden Steinmaterial befreit und daraus schneeschubsichere Steinwälle, Steinmugel und Alpterrassen errichtet“.

Steinwälle bieten viele Vorteile

  • Trockensteinmauern passen in die alpine Landschaft und fügen sich harmonisch ins Landschaftsbild ein.
  • Sie sind dauerhaft stabile Einfriedungen und halten durch innere Reibungskräfte zusammen.
  • Bei Entsteinungsaktionen, beim Almschwenden entfernte Natursteine können verwertet werden. Daher sind Trockensteinmauern nachhaltig, umwelt-, ressourcen- und energieschonend.
  • Durch ihre lose Struktur sollen die Mauern bis zu 128 Tier- und 550 Pflanzenarten Unterschlupf bieten.
  • Sie weisen ein eigenes Mikroklima auf, d.h. sie können außen Wärme und innen Feuchtigkeit bzw. Wasser speichern und langsam abgeben.
  • Außerdem sollen sie vor Erosion bewahren und durch ihre Durchlässigkeit Starkregen besser standhalten als Betonmauern.

Ohne Hilfsmittel
Für den Bau von einer Trockensteinmauer braucht es strukturiertes Denken, räumliche Vorstellungs- und Muskelkraft. Steine werden in Handarbeit ohne Befestigung und ohne Verbindungsmaterial übereinandergelegt. Selbst Erde wird keine verwendet, die würde es bei Regen wegspülen, was die Mauer zerfallen lassen könnte.

Die Steine sollen sich quasi ineinanderfügen, werden dafür jedoch nicht extra behauen. Größere Exemplare werden neben- und aufeinander gelegt. Sie bilden ein starkes Fundament, das bei diesem Gewicht und unebener Fläche nötig ist. Kleinere Steine und dünnere Platten füllen die Lücken dazwischen. Die natürlichen Formen sollen sich am Ende zu einem Ganzen, einer großen Mauer, fügen.

Weil eine Trockensteinmauer ein loser Verbund von Steinen ist, benötigt sie regelmäßig Nachschau und Pflege, damit sie Jahrzehnte überstehen kann. Immer wieder gilt es Lücken zu füllen und Steine übereinander zu stapeln.

Bei der Pflege der Almwiesen, beim Almschwenden, werden auf den Almflächen so gut es geht lose Steine, Brocken und kleinere Felsen entfernt. So haben die Weidetiere Platz zum Grasen. Dieses Material kann sehr gut zum Bau der Mauern eingesetzt werden – und wurde in den vergangenen Jahrhunderten auch viel genutzt.

Bildrechte: Rainer Vogler / Siegfried Ellmauer

Traditionelles Handwerk rund um unsere Almen