Literarische Almschmankerln aus dem Buch: Tiroler Almen

…das Leben als Bergnomade

Wir dürfen euch wieder einen Einblick aus unserer Leserubrik geben und noch tiefer in die Welt der Almen eintauchen. Dieses Mal hat uns der Michael Wagner Verlag das Buch mit dem Titel „Tiroler Almen“ – im eigenen Verlag erschienen – empfohlen. Ein sehr aufschlussreiches Buch von der Autorin Eva Lechner und dem Tiroler Naturfotograf Reinhard Hölzl, welches veranschaulicht, wie sehr das Leben auf der Alm von der Natur und den Tieren bestimmt wird. Die Bilder und Geschichten haben uns sofort in den Bann gezogen und wir konnten viele neue Erkenntnisse gewinnen.

Insgesamt werden über 40 Almen in Nord- und Osttirol beschrieben und anhand einer Übersichtskarte dargestellt. Die Geschichten handeln von Brauchtum, Tradition und Alltäglichem aus früheren Zeiten sowie der Gegenwart. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, welche Veränderungen es im Laufe der Zeit gegeben hat und welche Traditionen auch heutzutage noch fortgeführt werden. Alte Bilder in schwarz-weiß stehen im Kontrast zu modernen Aufnahmen in bester Qualität und machen die Orte und Geschichten greifbar.

„Die einzigartigen Erzählungen gewähren Einblicke in das Leben auf dem Dach Tirols, lassen Sie teilhaben an den Traditionen und Bräuchen der Hirten und Senner und werfen Schlaglichter auf so manch ein vergessen geglaubtes Geheimnis der Almbewohner. Fernab von touristisch eingefärbten Klischees und Postkartenidylle lernen Sie in diesem Band die facettenreiche und mitunter auch beschwerliche Arbeit auf den Bergweiden kennen und begleiten die Senner und das Vieh auf ihrem alljährlichen Weg über Hänge und Bergrücken.“

Ein beeindruckendes Beispiel aus dem Buch ist die Erzählung von Barbara und Stefan Stadler aus Telfs, die den Schritt gewagt haben und ihren Sommer als Bergnomaden in der „Gedingstatt Zams“ verbrachten. Gedingstatt ist die „Gemeinschaft von Alpinteressenten“ rund um die Fraktionen Zams, Zammerberg, Schönwies und Landeck-Angedair. Die Weiderechte wurden früher anhand der Viehanzahl prozentuell aufgeteilt und haben bis heute Bestand. Diese „Königsdisziplin“ im Hirtendasein scheint fast vergessen und doch zeigt das Buch, dass sich sogar jüngere Pärchen dieser Herausforderung nach wie vor widmen. Nach etlichen Jahren „normaler“ Almwirtschaft, haben sich die beiden für dieses Abenteuer entschieden. Nur mit einer Wanderkarte im Gepäck und auf die „Kuhtätschen“ des vergangenen Sommers achtend, starteten sie gemeinsam mit ihren 54 Rindern, 16 Pferden und zwei Hunden die Reise ins Ungewisse. Ohne zu wissen, welchen Weg sie nehmen mussten und was sie auf ihrer Reise erwartet.

Als Bergnomade wird die Herde von Weidefläche zu Weidefläche getrieben, teilweise über Jöcher und Grate. Wie lange man an einer Stelle verweilt, wird von den Tieren bestimmt und kann von wenigen Tagen bis zu vier Wochen dauern. Es ist ein Brauchtum der viel abverlangt – überraschende Wettereignissen wie Schneefälle im Juni, teilweise unwegsames Gelände, die monatelange Abgeschiedenheit von der Zivilisation und notdürftige Unterkünfte. Meistens gibt es in den Hütten kein fließendes Wasser und Plumpsklos, die an gefährlichen Abgründen stehen. Abschnittsweise musste alles Nötige im eigenen Rucksack verstaut werden, von Medizin über Kleidung bis hin zu Waschutensilien und Lebensmitteln. Das Wasser wurde von der nächstgelegenen Quelle bezogen und gewaschen haben sie sich mit einem Solar-Duschsack.

Insgesamt wanderte das Pärchen samt ihrer Gefolgschaft drei Monaten lang von Madau bei Bach bis nach Zams. Oft lagen die Hütten weit von der Herde entfernt und verlangten einen täglichen Fußmarsch ab – gerne auch mal bis zu einer Stunde. Brenzlige Situationen waren keine Seltenheit. So standen ihre Pferde eines Tages kurz vor dem Abgrund, ohne dass Barbara oder Stefan eingreifen hätten können. Sie konnten lediglich die Situation aus der Ferne beobachten und hoffen, dass kein Tier auf dem schneebedeckten Untergrund anfängt zu schieben – zum Glück war das nicht der Fall.

Das Bergnomadentum ist zwar beschwerlich, aber die Erzählungen zeigen auch, dass man für die harte Arbeit belohnt wird. Man hat das Privileg einmalige Naturereignisse und traumhafte Sonnenuntergänge und -aufgänge zu bestaunen, Erfahrungen fürs Leben mitzunehmen und sich in der Stille der Natur aufs Wesentliche zu besinnen. Durch die Recherchen der Autorin und den Erzählungen von Stefan und Barbara kann man quasi hautnah miterleben, wie sich der Alltag als Bergnomade gestaltet. Im Buch findet ihr diese und noch viele weitere, spannende Geschichten. Wem das Thema Alm interessiert, der sollte das Buch „Tiroler Almen“ unbedingt lesen. Am besten gleich online bestellen und sich selbst von den mitreisenden Geschichten überzeugen!

Quelle: Michael Wagner Verlag (Eva Lechner/Reinhard Hölzl, 2008)

Kontaktdaten:

StudienVerlag Ges.m.b.H. | Universitätsverlag Wagner Ges.m.b.H. | Michael Wagner Verlag
Erlerstraße 10/2
6020 Innsbruck
mail@uvw.at
www.studienverlag.at
www.uvw.at
www.michael-wagner-verlag.at

Weitere literarische Almschmankerln

Literarische Almschmankerln: Almen im Nationalpark Hohe Tauern. Natur, Kultur und Nutzungen

Literarische Almschmankerln: Almen im Nationalpark Hohe Tauern. Natur, Kultur und Nutzungen

Zwischen Tradition und InnovationWurden Almweiden früher auf ganz unterschiedliche Art und Weise genutzt, gleichen sich die Beweidungssysteme aktuell immer mehr an. Die beiden Ökologen erklären anschaulich, wie sich die Wirtschaftsweise […]

13. April 2024
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Zeit zum Wiederkäuen

Literarische Almschmankerln: Zeit zum Wiederkäuen

Die Kühe liegen gelassen auf der Almwiese und kauen ihr Gras: Ein Bild, das einen sofort innehalten lässt. Die Tiere beobachten und der eigene Trubel ist kurz vergessen. Das Wiederkäuen […]

6. Februar 2024
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Momentum – Alminger in Söll

Literarische Almschmankerln: Momentum – Alminger in Söll

Das Wort „Alminger“ beschreibt – zumindest in Tirol – auf liebevolle Weise jene Menschen, die im Sommer auf den Almen arbeiten und leben. Mit dem Begriff wird eines schnell klar: […]

30. Januar 2024
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Das Mysterium um die wohl älteste Viehschelle

Literarische Almschmankerln: Das Mysterium um die wohl älteste Viehschelle

Der Journalist, Chefreporter der Allgäuer Zeitung, Tobias Schuhwerk hat einen Alpsommer lang den Hirten Patrick Schuster auf der Einödsberg-Alpe oberhalb von Oberstdorf im Allgäu so oft als möglich besucht. In […]

19. Januar 2024
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Wolfsgrube als Orts- und Flurnamen

Literarische Almschmankerln: Wolfsgrube als Orts- und Flurnamen

Der aus dem Tiroler Sellraintal stammende Autor, Geschichtsexperte und Bibliothekar Georg Jäger dokumentiert in seinem neuen Buch die Vergangenheit des Wolfes in Österreich. Der Textauszug stammt aus „Der Wolf als Bauernschreck […]

14. Januar 2024
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Mit vier Monaten schon auf der Einödsberg-Alpe

Literarische Almschmankerln: Mit vier Monaten schon auf der Einödsberg-Alpe

Der Journalist, Chefreporter der Allgäuer Zeitung, Tobias Schuhwerk hat einen Alpsommer lang den Hirten Patrick Schuster auf der Einödsberg-Alpe oberhalb von Oberstdorf im Allgäu so oft als möglich besucht. In […]

29. Dezember 2023
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Almfrieden

Literarische Almschmankerln: Almfrieden

Ein simples Wort und doch steckt so viel mehr dahinter: Der viel zitierte Almfrieden bedeutet Ruhe von der Hektik im Tal, Einklang von Natur, Mensch und Vieh und ein Rückbesinnen […]

19. Dezember 2023
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Auf der Alm und im Tal

Literarische Almschmankerln: Auf der Alm und im Tal

Das Buch „Auf der Alm und im Tal“ von Martina Fischer erschien 2019 im Kailash Verlag. Auf 238 Seiten beschreibt sie ihr Selbstversorgerleben auf der Alm und im Tal in […]

15. Dezember 2023
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Der Wolf in Fabel, Literatur und Volksmedizin

Literarische Almschmankerln: Der Wolf in Fabel, Literatur und Volksmedizin

Der aus dem Tiroler Sellraintal stammende Autor, Geschichtsexperte und Bibliothekar Georg Jäger dokumentiert in seinem neuen Buch die Vergangenheit des Wolfes in Österreich. Der Textauszug stammt aus „Der Wolf als Bauernschreck […]

13. Dezember 2023
Weiterlesen
Literarische Almschmankerln: Hirtenleben im Allgäuer Hochgebirge

Literarische Almschmankerln: Hirtenleben im Allgäuer Hochgebirge

Der Journalist, Chefreporter der Allgäuer Zeitung, Tobias Schuhwerk hat einen Alpsommer lang den Hirten Patrick Schuster auf der Einödsberg-Alpe oberhalb von Oberstdorf im Allgäu so oft als möglich besucht. In […]

29. November 2023
Weiterlesen