Die Spanne reicht von getrockneten Stängeln, Blättern und Blüten über Wurzeln bis hin zu Baumharzen und Hölzern.
Weltweit deuten archäologische Funde darauf hin, dass das Räuchern die Menschen seit Jahrtausenden begleitet und seit jeher Teil aller Traditionen, Kulturen und Völker war und ist. So stellt auch der Alpenraum keine Ausnahme dar, denn die saftigen Bergwiesen bieten ein wahres Eldorado an wohltuenden Heilpflanzen.
So einig sich die Menschheit über die nützliche Wirkung des Räucherns ist, so mannigfaltig sind die Gründe und Vorgehensweisen bei dieser Praktik.
Unsere Urahnen maßen dem „Rauchopfer“, von dem sie sich Schutz vor bösen Geistern, Glück oder die Besänftigung der Götter versprachen, eine essenzielle Bedeutung bei spirituellen Kulten, Ritualen und anderen religiösen Zeremonien bei. Diese Tradition wurde sogar Bestandteil des Christentums, wo beispielsweise Weihrauch eine wichtige Komponente des Gottesdienstes verkörpert.
Da in unseren Gefilden „exotische“ Harze wie echter Weihrauch oder Myrrhe schwer zu besorgen und sehr teuer waren, griff die Bevölkerung auf die Schätze heimischer Wälder zurück. Fichten-, Zirben- und Lärchenpech brachte dies sogar den Spitznamen „Alpenweihrauch“ ein. Zudem erfreuten sich selbst gesammelte Kräutermischungen großer Beliebtheit. „Schutzkräuter“ wie Baldrian, Wacholder oder Schafgarbe wurden von Sennerinnen auf der Alm gepflückt und in Messen geweiht.
Überhaupt spielt das Räuchern im Tiroler Brauchtum eine bedeutende Rolle. Bei bestimmten Anlässen entfalteten liebevoll zusammengestellte Duftmischungen ihre Wirkung und dienten dabei etlichen Zwecken. So erzeugt das Räuchern einen erstaunlichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Das Desinfizieren von Räumen nach schweren Krankheiten hat traditionell eine fundamentale Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Wacholder zu erwähnen, eines der Räucherhölzer mit der weitesten Verbreitung. Sogar während der Pest schwor man auf die reinigende Wirkung seiner Aromastoffe.
Räucherstoffe verhinderten einerseits aufgrund ihrer antibakteriellen Eigenschaften Krankheiten, in anderen Fällen sollten sie Mensch und Tier vor Schaden bewahren oder begleiteten die Seelen von Verstorbenen als exquisite Grabbeigabe in die Ewigkeit. Sogar zum Zahlungsmittel haben es besonders wertvolle Pflanzenmischungen geschafft.
In der Almwirtschaft schätzte man das Räuchern außerdem bei der Verarbeitung von Lebensmitteln. In Kombination mit Salzen und Gewürzen werden Käse, Fleisch und Wurst lange haltbar gemacht.
„Zwischen den Jahren“ – also von der Wintersonnenwende bis zum Dreikönigstag – füllten die Tiroler Bauern riesige Pfannen mit Ofenglut und fügten Kräutermischungen hinzu, deren Zusammenstellung oft über Generationen weitergegeben wurde. Mit diesen Pfannen gingen die Menschen dann während der Raunächte durch Haus und Hof, um die Dunkelheit zu vertreiben und Unheil abzuwenden. Es handelte sich um ein Reinigungsritual, welches das Schlechte des vergangenen Jahres austreiben und eine positive Atmosphäre für den Beginn des neuen Zyklus schaffen sollte.
Obwohl dem religiösen, kultischen und traditioneller Aspekt ein hoher Stellenwert zugesprochen wird, dient das Räuchern noch vielerlei anderer Nutzen, von denen der profanste wahrscheinlich schlicht und einfach der herrliche Duft es Rauches ist. Über Jahrhunderte wurde Kleidung damit parfümiert oder Räume, in denen Entspannung, Schönheit und Genuss im Vordergrund stehen, mit wohltuenden Aromen durchflutet.
Doch was der Nase des Menschen schmeichelt, kann für andere Lebewesen ein grausiges Übel bedeuten, sodass dem Räuchern mit bestimmten Pflanzen eine weitere günstige Eigenschaft zugeschrieben wird: Den Schutz vor Schädlingen. So ist Lavendel dafür bekannt, Motten abzuhalten. Steinklee, Rosmarin, Minze oder Thymian erfüllen denselben Effekt.
Mittlerweile ist es wissenschaftlich belegt, dass Düfte einen nicht von der Hand zuweisenden Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Psyche haben, denn Gerüche wirken auf unser Unterbewusstsein bzw. auf unser limbisches System, in dem unter anderem Erinnerungen und Gefühle verarbeitet werden. Das erschließt die Möglichkeit, direkt auf unsere Stimmung und unsere Emotionen einzuwirken. Je nachdem, welche Pflanze abgeglüht wird, entfaltet der Rauch unterschiedliche Wirkungen. So gilt beispielsweise Beifuß als entspannend, wärmend und beruhigend, während man dem Raucharoma der Baldrianwurzel nachsagt, es würde Lust und Leidenschaft fördern. Für gute Laune sorgt der Geruch von Tannen-, Fichten- und Kiefernadeln. Holunder und Johanniskraut helfen ebenfalls, Spannungen abzubauen und heben so die Stimmung.
Bei all diesen fantastischen Eigenschaften wundert es kaum, dass das Räuchern wieder in Mode kommt. Fernab der Esoterikszene entdecken immer mehr Menschen die Kraft der Natur. Unsere Tiroler Wälder und Almwiesen bringen eine Fülle an Pflanzen hervor, die eine heilsame Wirkung auf Körper, Geist und Seele versprechen – wir müssen nur zugreifen!
(Aber bitte mit Sachkenntnis, Achtsamkeit und Wertschätzung.)