Sagen aus Innsbruck

Der hölzerne Almputz

Vor vielen Jahren einmal gingen drei Jäger aus Hötting auf die Nordkette zur Jagd. Weil sie nicht am selben Abend zurückkehren konnten, übernachteten sie auf der Umbrüggler Alm.
Dort zündeten sie ein Feuer an, wärmten sich, aßen und tranken und kamen in den späten Abend hinein auf allerlei dumme Gedanken.

Der eine Jäger schnitzte aus einem großen Holzscheit eine grobe Puppe und schrie: „Schaut her! Ich hab einen Almputz gemacht!“ Der zweite Jäger lachte darüber und meinte: „Aber so nackert kannst du ihn nicht lassen! Zieh ihm was an!“
Die beiden wickelten die große Holzpuppe in allerlei Lumpen, die sie in der Hütte fanden, setzten ihr einen Hut auf und steckten ihr Brot und Speck in den hölzernen Mund. Als das Essen auf den Boden fiel, fanden sie das besonders lustig und wollten sich schier ausschütten vor Lachen. Der jüngste unter den Jägern aber wollte nicht mittun — ihm war dieser grobe Spaß nicht ganz geheuer.

Aber seine beiden Kameraden trieben den Unfug noch weiter. Nun wurde eine Schnapsflasche aufgemacht. „Komm, Almputzi, trink mit uns!“, riefen sie der Puppe zu. Und weil sie sich nicht regte, schütteten sie ihr den Schnaps unter wildem Gelächter ins Gesicht und über den Kopf.

In diesem Moment blitzte und donnerte es draußen mit solcher Macht, dass der Boden bebte.
„Ich bin müd. Ich geh jetzt schlafen!“, verkündete der jüngste Jäger erschreckt. Er stieg über die Leiter auf den Heustock hinauf und wickelte sich fröstelnd in seine Schlafdecke.

Die beiden anderen aber trieben das böse Spiel mit der Holzpuppe noch weiter, bis auf einmal unmittelbar neben der Hütte ein schriller, unheimlicher Pfiff ertönte.

Die Jäger erbleichten vor Schreck, warfen den hölzernen Putz ins Feuer, dass es hell aufloderte, und krochen geschwind auf den Heuboden hinauf. Aber da war schon der leibhaftige Almputz in der Hütte und hinter ihnen her.

Dem jüngsten Jäger, der zwar nicht mitgetan, aber die anderen auch nicht von ihrem wilden Treiben abgehalten hatte, gab er bloß eine gewaltige Ohrfeige; dem zweiten Jäger schlug der Putz so heftig auf den Fuß, dass er davon ein Leben lang hinkte.
Den dritten aber, der die Puppe geschnitzt und am wildesten mit ihr umgegangen war, den nahm der leibhaftige Almputz mit, da mochte er schreien und zappeln, wie er wollte.

Die beiden anderen Jäger in der Hütte warteten zitternd bis zum Morgengrauen, bevor sie sich aufmachten, ihren Kameraden zu suchen. Doch als sie ins Freie hinaustraten, sahen sie entsetzt den Kopf des dritten Jägers auf dem Hüttendach stecken. Sein Leichnam wurde nicht mehr gefunden.

Quelle: Tiroler Sagen (Weninger 2018: 19f.)

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