Die außergewöhnliche „Toilettenbekanntschaft“ auf 2.117 Metern Höhe

… Wer denkt nicht gerne an den Urlaub zurück, blättert vielleicht in einem Fotoalbum und erzählt Anekdoten? Wenn im Urlaub etwas wirklich Außergewöhnliches passiert, an das man noch Jahre später denkt und dabei lachen muss, dann sollten es alle erfahren. Das hat sich auch unser Gastautor Jochen Stahl gedacht, der hier von einer Urlaubsbegegnung der etwas anderen Art berichtet:

Unseren Sommerurlaub 2017 verbrachten wir auf dem „Dach Tirols“ – dem Pitztal, einem Tiroler Tal zwischen dem Kauner- und dem Ötztal.

Der sechste Urlaubstag war stark bewölkt – Regen hing in den Wolken und das Wetter empfahl eine nicht allzu anstrengende Bergtour und eine Route nahe den Schutzhütten oder Almen. Wir entschieden uns für eine Bergwanderung auf die Jerzner Alm (auch Tanzalm genannt) auf 2.001 m.

Auf der Alm angekommen, stärkten wir uns ein wenig und empfanden noch Lust für eine Fortsetzung. Die Kalbenalm wählten wir als nächstes Ziel und so gingen wir los. Nach wenigen Metern Weg ereilte uns aber ein sehr unfreundlicher, nasskalter Wind bei etwa 7 Grad. Und nach etwa 15 Minuten Marschdauer donnerte es kräftig und ein Unwetter kündigte sich an. Wir steigerten unsere Geschwindigkeit, um noch trockenen Fußes die Kalbenalm zu erreichen. Das Wetter hatte es allerdings eilig und sogleich begann es zu nieseln. Das Donnern wurde stärker und unsere Schritte schneller. Dann wandelte sich der Nieselregen in leichten Hagel, der jedoch von Minute zu Minute stärker wurde. Welch ein Glück dachten wir, dass die Marschdauer mit kurzen 25 Minuten angegeben war und wir sehr zügig vorankamen. Und so trafen wir auch bald an der romantischen Kalbenalm auf 2.117 m ein. Die schon früh gesichteten Sonnenschirme und Liegestühle kündigten an, dass Gäste dort willkommen seien. Wie gut, denn inzwischen waren wir durchnässt und es war auch nicht wärmer geworden.

Die romantische Kalbenalm auf 2.117m
Liegestühle mit Schnee bzw. Hagelkörnern bedeckt
Das Nebengebäude mit der Toilette (auf der Rückseite)
Kalbenalm mit Liegestühlen

Mit Schrecken stellten wir beim Näherkommen fest, dass die Türen der Alm verschlossen waren. Vorhängeschlösser verwehrten uns den Zutritt und ein schützendes Vordach oder Ähnliches gab es auch nicht. Das Nebengebäude war ebenso verschlossen.

Auf der Rückseite des Nebengebäudes allerdings befand sich eine weitere Tür und wie durch ein Wunder war diese unverschlossen. Ich öffnete die Türe und traute meinen Augen nicht: Es war eine kleine Toilette! Auf dem „keramischen Stuhl“ saß eine zierliche Frau – neben ihr stand aufrecht ein großer Mann, als wäre er dort als Wache eingeteilt. Trotz Nässe und Kälte der Höflichkeit verpflichtet, entschuldigte ich mich für die Störung und schloss sofort die Türe. Ich muss wohl sehr entsetzt aus der inzwischen nassen Wäsche geschaut haben …

Für einen kurzen Moment dachte ich an die Sendung mit der versteckten Kamera, doch lachen konnte ich unter diesen Umständen nicht. Schließlich waren die Kleider nass und der Wind unerbittlich.

Dann tönte aus der Toilette eine Stimme: „Kommen Sie doch bitte herein!“ Zögerlich und wohl noch etwas verstört von dem völlig unerwarteten Anblick, öffnete ich die Tür erneut. Die Frau und der Mann sahen mich freundlich an und wiederholten ihre Einladung: „Kommen Sie doch bitte herein.“

Ich entgegnete: „Aber wir sind zu dritt“ und ich vermaß’ in einem Augenblick den durchaus sehr sparsam bemessenen Toilettenraum. Die Gastfreundschaft der beiden „Toilettenbewohner“ ließ keineswegs nach und sie erneuerten ihr Angebot ein drittes Mal: „Jetzt kommen Sie doch bitte herein zu uns“.

Meine Frau und der 15-jährige Sohn waren inzwischen hinter mir eingetroffen und bekamen den letzten Dialog noch mit. Ebenso zögerlich folgten sie der freundlichen Einladung und jetzt war die winzige Toilette gefüllt mit fünf Wandersleuten und deren Rucksäcken. Irgendwie war das wie in einem überfüllten Aufzug eines kleinen Landhotels.

Dann begannen die Gespräche über den sehr ungewöhnlichen Aufenthaltsort. Wir waren noch immer etwas verstört, jedoch überglücklich, im Trockenen zu sein. Unsere „Gastgeber“ waren überaus freundlich und erklärten uns, dass es ihnen genauso gegangen sei.

Aus tiefer Dankbarkeit kramte ich meine Flasche mit den „Notfalltropfen“ heraus, die ich bei Bergtouren immer mit mir führe. Ein guter hausgemachter Zirbenschnaps aus dem Kräuterdorf Irschen in Kärnten. Fünf Stamperl Notfalltropfen stießen aneinander und der stärkende Trank floss die Kehlen hinunter; welche eine Wohltat! Da das Wetter nicht erwarten ließ, dass es sich ändern möchte, legten wir die mitgeführte Nässeschutzkleidung an, packten uns gut ein und begaben uns aus der schützenden Behausung gut gelaunt und nun zu fünft talwärts. Der wirklich außergewöhnliche Ort der Bekanntschaft beschäftigte uns noch lange und immer wenn wir daran zurückdenken, schmunzeln wir. Ein Erlebnis, das wir wohl nie vergessen werden!

Euch ist auch ein Ereignis in Erinnerung, das ihr gerne mit uns teilen wollt? Dann schreibt uns ein paar Zeilen und schickt dazu passende Bilder gerne an office@unsere-almen.at. Wir freuen uns auf eure spannenden, lustigen, abenteuerlichen und außergewöhnlichen Erlebnisse in unserer einmaligen Alm- und Bergwelt.

Fotos: Jochen Stahl

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