Wie es Bergsteigern anno dazumal auf Sennalmen ergangen ist

…Alpinisten von anno dazumal haben häufig auf Almen in Österreich Unterschlupf gefunden. Historiker Martin Achrainer vom österreichischen Alpenverein kennt viele Beispiele und Anekdoten. Einem Bischof wurde einmal der Einlass verwehrt. Findige Bauern haben sich Kaffee als Reallast ins Grundbuch eintragen lassen.

Der Text stammt von Martin Achrainer vom Historischen Archiv des Österreichischen Alpenvereins. Dort wird die über 150-jährige Geschichte des Vereins erforscht. Achrainer pflegt u.a. Gründungsurkunden, Statuten, Protokolle, Briefe, Festschriften, Jahrbücher, wissenschaftliche Beiträge, Zeitschriften, Medientexte, Nachlässe. Ein Teil der Texte zur Vereinsgeschichte kann hier online eingesehen werden.

Almen und Alpenvereinshütten im Wandel der Zeit
Eine Reminiszenz an die Frühzeit, der Vor-Vereinszeit des Alpinismus, von Johann Stüdl, der zu den ersten Hüttenbauern im Alpenverein zählte: „Als einen höchst günstigen Umstand betrachtete man es damals bei Bergwanderungen, wenn zur Erleichterung der Tour es möglich war, in einer hochgelegenen Senn- oder Jagdhütte zu übernachten.“ Die mangelnde Bequemlichkeit wurde von einer „gewissen Idylle und einer köstlichen Unterhaltung“ gemildert.

Bischof von Salzburg wurde Einlass in Sennhütte verwehrt
Es konnte aber auch anders sein: „Nicht selten konnte es geschehen, dass man zu einer späten Nachtstunde in die bewohnte Sennhütte keinen Einlass bekam, namentlich in jenen Gegenden, wo Wilddiebe ihr Unwesen treiben. So erging es weiland Sr. Eminenz dem Fürsten Schwarzenberg, Erzbischof in Prag, diesem für die Alpen hoch begeisterten, edlen Kirchenfürsten, als er mit seinem Gefolge bei dem langwierigem Übergänge über das steinerne Meer in einer Sennhütte zu sehr später Nachtstunde um Einlass ersuchte, der ihm kategorisch von der Sennerin mit der Bemerkung ‚das könnte Jeder sagen, dass er der Bischof von Salzburg sei‘, verweigert wurde und ihm sammt seinem Gefolge nichts übrig blieb, als sich in ein benachbartes halb offenes Heustadl zu begeben und daselbst die kalte Nacht zuzubringen.“

Nicht allen der durchwegs bürgerlichen Bergsteiger und Bergsteigerinnen der frühen Jahre behagten die Unterkünfte und Verpflegung, wie zahlreiche Anekdoten bezeugen. Selbst der völlig anspruchslose Friedrich Simony sprach vom „elenden Halterhüttchen der Ochsenalm“, dass ihm bei einer Venediger-Besteigung Obdach bot, und regte den Bau einer Schutzhütte an (1856).

Doch auch der Alpenverein musste erst lernen: Die erste Hütte des Österreichischen Alpenvereins war die Rainer-Hütte im Kapruner Tal, mit viel Schwierigkeiten und hohem finanziellen Aufwand erbaut, nur einen Steinwurf von der nächsten Almhütte entfernt. Was der eine als Vorteil empfand – die leichte Besorgung von Butter und Käse – war für andere geradezu grotesk: Dort zu bauen, wo schon Unterkunft vorhanden war.

Kürsinger-Hütte errichtet, um Anstieg auf Großvenediger zu erleichtern
Doch die Bergsteiger drängten sowieso höher hinauf: Der erste Vorläufer der Kürsinger-Hütte wurde errichtet, weil der Anstieg auf den Großvenediger von der höchsten Alm aus einfach zu weit war. Jede neue Alpenvereins-Hütte lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich, zog mehr Besucher an als die Almhütten der Gegend hätten aufnehmen können.

Wo die neuen Hütten auf bäuerlichem Besitz standen und eine Alm in der Nähe war, bedingten sich die Bauern meist heraus, dass Milch, Butter und Käse von ihnen bezogen werde. Häufig wurden Wegverbesserungen durch den Alpenverein vereinbart.

Bauern ließen Kaffee als Reallast ins Grundbuch eintragen
Eine besondere Regelung finden wir bei der Samoar-Hütte (der Vorläuferin der jetzigen Martin-Busch-Hütte): Hier werden beim jährlichen Schaftrieb vom Südtiroler Schnalstal auf die Ötztaler Almweiden die Hirten in der Hütte untergebracht und bewirtet. Die tüchtigen Bauern ließen sich „die Verabreichung von Kaffee an die Treiber“ als Reallast ins Grundbuch eintragen, während die Alpenvereinssektionen darauf vergaßen, sich den Trinkwasserbezug abzusichern.

Nicht immer waren die bauernschlauen Älpler also den von Juristen und Gelehrten bevölkerten städtischen Alpenvereinssektionen unterlegen. Geändert hat sich seither viel, vor allem durch den stets wachsenden Besuch – die Almen in den von Fremdenverkehr und Bergsteigern besuchten Gebieten betreiben selbst einen Ausschank, während so manche Hüttenpächter Hafermilch und Tofu an ihnen vorbei auf die Hütte transportieren lassen.

Wie haben sich Alpenverein und Almwirtschaft entwickelt
Martin Achrainers historische Erklärungen gehen weiter.

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