Almwirtschaft im hohen Norden des Riesengebirges

Unser Almfuchs auf den almerischen Spuren von Auswanderern aus Tirol, Südtirol und dem Ausseerland im Reich von Rübezahl. Als Bergknappen, Holzfäller, Flößer und Klausner ins Land gerufen, haben sie Rodungsinseln in den bis dahin unbesiedelten Urwald an den Abhängen des Riesengebirges geschlagen und eine blühende Bergland- und Almwirtschaft aufgebaut. Diese bildet bis heute die Basis fürs Tourismusgeschäft. Heute profitieren davon freilich nicht die Nachfahren jener Altösterreicher, sondern tschechischen Nachsiedler. Mussten doch alle „Deutschstämmigen“ aufgrund der Benesch-Dekrete 1945 ihre Heimat verlassen.

Nach dem Niedergang des Bergbaus in Schwaz wurden ab 1566 arbeitslos gewordene Fachkräfte von Kaiser Ferdinand in die noch nicht ganz erschöpften Erzbergstätten Mittelböhmens, mit dem Zentrum Kuttenberg (Kutná Hora), und die neu zu Erschließenden im und am Riesengebirge gelockt. Gelockt durch die Aussicht auf gutes Geld und eigenen Grund und Boden. Diesen haben sich die Alpensöhne – oft weichende Bauernkinder – mit den eigenen Händen in die Urwälder des Riesengebirges und im Kampf gegen ein extrem raues Klima ertrotzt. Acht Monate herrsche dort oben Winter und vier Monate sei es kalt, so ging und geht die Rede der autochthonen, böhmischen Bevölkerung, die deshalb über Jahrhunderte hin nicht auf die Idee gekommen war, sich dort anzusiedeln und lieber im Flachland geblieben war.

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Das mit dem rauen Klima will ich gerne glauben, bläst mir doch der Wind hier am Spindlerpass eiskalt ins Gesicht. Im Juni wohlgemerkt. Urplötzlich einsetzender horizontaler Regen wechselt sich mit längeren Niederschlagspausen ab auf der gut 6-stündigen Rundwanderung. Zunächst wandern wir am Bergkamm entlang, der Tschechien und Polen trennt, hart an der Baumgrenze, die hier tatsächlich mehrere hundert Meter niedriger verläuft als in den Alpen. Über der Waldgrenze an den Gipfelhängen von Schneekoppe, Sturmhaube und wie sie alle heißen mögen, die Gipfel, herrscht tatsächlich tundra-artige Vegetation.

Der Wind pfeift über unsere Köpfe hinweg, die gerade noch von den letzten Wetterfichten überragt werden und von den die Vegetation dominierenden Latschen schon nicht mehr. Später dann führt unser Weg runter nach Süden auf die tschechische Seite und wieder retour zum Ausgangsort. Die Fichten wachsen wieder etwas in die Länge und Breite. Unterwegs passieren wir die Peterbaude, die Martinsbaude, benannt beide nach ihren altösterreichischen Erbauern. Letztgenannte geht zurück auf zwei Brüder aus Brandenberg, wie die Chroniken berichten. Dort wird eingekehrt. Gerade rechtzeitig vor dem nächsten Regenschauer.

Die österreichische Riesengebirgsgesellschaft hat hier ähnlich unserem Alpenverein die touristische Erschließung vorangetrieben. Hat die einst von den Tiroler und Ausseer Pionieren als Almhütten dienenden Bauden (tschechisch Horská bouda vom deutschen Wort Bude abgeleitet) sukzessive zu Schutzhütten, ähnlich unseren Alpenvereinshütten, um- und ausgebaut und breite Wege angelegt, fürs zunächst vor allem adelige und gutbürgerliche Publikum. Spätestens um die Wende zum 20. Jahrhundert aber setzte bedeutender Tourismus ein, der bis heute die Region wirtschaftlich trägt und prägt.

Spindlermühle, Johannisbad, Harrachsdorf, Trautenau – so heißen einige der bekannteren Ortschaften im Herzen und an den südlichen Ausläufern des tschechischen Riesengebirges. In Spindlermühle (Špindlerův Mlýn) einer bekannten Schischaukel finden regelmäßig Weltcuprennen statt. In den mondänen Kuranstalten von Johannisbad (Janské Lázně) gaben sich schon zur K + K Zeit betuchte Gäste aus dem nahen Prag, aber auch dem fernen Wien die Klinke in die Hand. In Harrachsdorf (Harrachov) fanden bis 2014 Schiflugbewerbe statt, seither verfällt die Anlage. Und in der Schlacht bei Trautenau (Trutnov) erreichten 1866 die österreichischen Truppen im Deutschen Krieg einen Pyrrhussieg über die Preußen, bevor sie nur wenige Tage später bei Königgrätz vernichtend geschlagen wurden.

Im Riesengebirge drinnen aber herrscht wie eh und je der Rübezahl. Auch diesen Hüter der Bergwelt sollen – nach einer der vielen kursierenden Versionen über dessen mythologische Herkunft– Tiroler Bergknappen mitgebracht haben. Wie dem auch immer sei, die Anwesenheit Rübezahls als launischer Wettergeist ist die ganze Zeit über spürbar. Man kann sich wirklich weidlich vorstellen, welch harte Jungs die altösterreichischen Pioniere gewesen sein mussten, dass sie sich Rübezahls Einverständnis ertrotzen und hier ein Zuhause auf Basis einer blühenden Alm- und Berglandwirtschaft schaffen konnten.

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