Dreistufenlandwirtschaft: Wenn die Kuh der Vegetation nachzieht | Vorarlberg

Vom Talbetrieb auf die Maisäß hinauf auf die Alpe und wieder herunter. Diese traditionelle dreistufige Form der Landwirtschaft prägt eine ganze Region in Vorarlberg, den Bregenzerwald.

Sie hat Jahrhunderte auf dem Buckel und entspricht dabei voll und ganz unserem Zeitgeist. Die umfassende Nutzung der gesamten Vegetation des Lebensraumes über die Höhenstufen ist sicher die nachhaltigste Form landwirtschaftlicher Nutzung im alpinen Raum. Unter dem Namen Dreistufenlandwirtschaft ist sie im Westen Tirols und weiten Teilen Vorarlbergs, flächendeckend im Bregenzerwald verbreitet, wo sie sogar zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde.

Wer hat’s erfunden?
Tatsächlich haben die Walser diese Form der Landwirtschaft bei ihrem Exodus ab dem späten 12. Jahrhundert aus dem Kanton Wallis unter anderem auch nach Vorarlberg und Tirol mitgebracht.

Fester Bestandteil des Kulturerbes
Im Bregenzerwald, wo sie in allen Gemeinden durchgängig gepflogen wird, ist die Dreistufenlandwirtschaft fester Bestandteil des Kulturerbes der Familien, die auf diese Weise ihre Höfe bewirtschaften. Aber auch für alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner und nicht zuletzt für die Gäste des Bregenzerwaldes ist die Dreistufenlandwirtschaft wichtig: einerseits wegen der regionalen kulinarischen Spezialitäten aus Milch und Käse, die durch diese traditionelle Bewirtschaftung erst möglich werden, und andererseits wegen der Feste und Bräuche (Alpaufzüge, Alpabtriebe, Alpmessen, Alpfeste, Käsemärkte, etc.), die in engem Zusammenhang mit der Dreistufenlandwirtschaft stehen.

Das Wissen um die Bewirtschaftung der Weideflächen mittels Dreistufenlandwirtschaft wird seit Generationen innerhalb der Bauernfamilien durch Vorzeigen, Vorleben und mündliche Überlieferung weitergegeben. Jugendliche aus der Familie oder aus dem Bekanntenkreis beginnen als „Pfister“ die Alpwirtschaft von den Erwachsenen zu lernen. Später werden aus diesen „Pfistern“ dann oft Hirten und Hirtinnen, Senner und Sennerinnen oder Alpmeister und Alpmeisterinnen.

Vom Hof auf die Maisäß und im Sommer auf die Alpe
Vom Heimbetrieb im Tal, der ersten Stufe, ziehen im jahreszeitlichen Rhythmus die Kühe zunächst bereits im Mai auf die so genannte Mai- bzw. Vorsäß und etwa Anfang Juli auf die Alpe. Im September fährt man wieder auf die zweite Stufe zurück, wo inzwischen auch ein Vorrat an Bergheu für den Winter geschaffen werden konnte. Mitte bis Ende September kehren alle mit einem feierlichen Alpabtrieb wieder zurück zu den Heimbetrieben.

Bis in die 50er des letzten Jahrhunderts wurden die Kühe teilweise von ganzen Familien mit Sack und Pack begleitet, sodass manchmal sogar Lehrpersonen mitgingen und den Schulunterricht auf die Vorsäß verlagerten.

Dank verbesserter Erschließung und Anpassung an den heutigen Stand der Technik bewerkstelligt heute die anfallende Arbeit auf der Alp ein Bruchteil des einst nötigen Personals. Trotzdem bleibt diese Bewirtschaftungsform von Kontinuitäten bestimmt, da diese landwirtschaftliche Praxis abgesehen von den Segnungen moderner Technik wie Melkmaschinen und Traktoren seit Jahrhunderten kaum verändert wurde. Und sie bleibt aufwändig, insbesondere dort, wo der traditionelle Alpkäse hergestellt wird, wie etwa der Vorarlberger Alpkäse mit geschütztem Ursprung GU oder auch der Sura Kees im Montafon, ein traditionell gekäster Sauermilchkäse.

Aufwändige Maisäß wird mancherorts aufgelassen
Diesen Aufwand wollen oder können längst nicht mehr alle Almbesitzer betreiben. Personalsorgen gibt es auch im Ländle. Deshalb geht der Trend dahin, die Alpe direkt vom Talbetrieb zu bestoßen und zwar nicht mehr mit Milch-, sondern dem betreuungsextensiveren Galtvieh. Die aufwändige Zwischenstufe Maisäß wird so mancherorts aufgelassen, d.h. dem Wald „zurückgegeben“, oder rein touristisch genutzt.

Umso erfreulicher sind die Ausnahmen, wie etwa die Alpe Garnera im Montafon, wo die Dreistufenlandwirtschaft weiterhin Bestand hat. Dort weiden Milchkühe die Vegetation stufenweise ab und erhalten so stets nahrhaftes, frisches Futter. Das spiegelt sich dann auch in der wertvollen Milch und den erstklassigen Käsespezialitäten wider, die nach traditionellem Handwerk hergestellt werden.

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Zur Geschichte des Käses auf unseren Almen und Sura-Kees-Rezepte

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