… Im Zuge der neolithischen Revolution wird der Mensch allmählich vom herumziehenden Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter. Ötzi war vor rund 5.000 Jahren vermutlich Zeuge und Mitgestalter dieser Umwälzungen im Alpenraum. Man geht heute davon aus, dass Ötzis Zeitgenossen noch beides waren: Jäger und nomadisierende Viehzüchter zugleich. Die alljährliche Transhumanz von 1.400 Schafen vom hinteren Schnalstal ins Ötztal hält dieses Erbe hoch.
Unstrittig ist der Umstand, dass erst die Viehzucht die für anderweitige landwirtschaftliche Nutzungen ungünstigen Alpen als Dauersiedlungsraum ermöglicht hat. Die besten Voraussetzungen wiederum fanden diese oft weit oben, oberhalb der Baumgrenze – Almwirtschaft stand ganz am Anfang! Viel später erst wurden die Flusstäler flächendeckend erschlossen.
Jagd und Almwirtschaft haben seither viele Umgestaltungen erfahren. Unverändert teilen sie sich denselben Lebensraum: prägen, gestalten, ja – erhalten diesen zuallererst. Ohne Alm- und Jagdwirtschaft sähen die alpinen und subalpinen Lebensräume wahrlich anders aus. War Ötzi noch beides zugleich, so schlagen heute im echten, rechten Almbauer und Almhirten ein Herz für die Jagd und umgekehrt weiß der Waidmann, wie sehr er auf die Almwirtschaft angewiesen ist. Beide haben sich zusammen entwickelt – nicht in Konkurrenz, sondern in Symbiose!
Einer, der das betont, ist Salzburgs Landesjägermeister Max Mayr-Melnhof. Für ihn sind Alm und Jagd „eine Schicksalsgemeinschaft“. Die Alm schafft Äsungsflächen, die Jagd hält Wildbestände in Balance – beides Grundlage einer lebendigen Kulturlandschaft. Wo Almen verschwinden, verliert auch die Jagd an Raum und Beobachtungsmöglichkeiten.
Und nun kommt mit dem Wolf ein alter Konkurrent zurück: Für die Almwirtschaft existenzielle Bedrohung, für die Jagd Herausforderung und Verantwortung zugleich, wie Max betont. Vielleicht zwingt ausgerechnet Isegrim beide, sich neu zusammenzuraufen – wie einst zu Ötzis Zeiten, als Jagen und Hüten noch eins waren.
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