Literarische Almschmankerln: Die ledigen Sennerinnen im Osttiroler Tauerntal

…In vergangenen Jahrhunderten haben überwiegend Frauen auf den Almen und Melkalmen im Alpenraum gearbeitet. Ihre Eigenständigkeit und die lockeren Sitten am Berg waren dem Klerus ein Dorn im Auge. Das berichtet der Tiroler Buchautor, Geschichtsexperte und Bibliothekar Georg Jäger in seinem dritten Band „Auf der Alm und im Gamsgebirge“.

Das einstige harte Leben im Alpenraum schildert der Tiroler Autor, Bibliothekar und promovierte Geschichtsexperte Georg Jäger aus dem Sellraintal schonungslos und detailreich. Der Textauszug stammt aus „Auf der Alm und im Gamsgebirge“, Band 3 der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“, erschienen 2021 im Kral Verlag (S. 36 – 37).

Die ledigen Sennerinnen im Tauerntal in Osttirol
Nach der Dissertation von Hermann Sendele über „Die Almwirtschaft von Matrei in Osttirol in geschichtlicher, rechtlicher und volkskundlicher Betrachtung mit einem Exkurs über die Hausgemeinschaften“ (Innsbruck 1963, 465 S.) dominierte bei der geschlechtlichen Zusammensetzung des Almpersonals auf den Matreier Almen im Tauerntal das weibliche Geschlecht eindeutig und überbot nach der Ludwig Graf ’schen Alpstatistik von 1873 die männlichen Arbeitskräfte um das Doppelte bis Dreifache (1873: 107 Senninnen zu 44 Hirten; 1952: 81 Senninnen zu 24 Hirten).

Großteils Frauen auf Sennalmen
Die Gründe für das Vorherrschen der Frauen auf den Sennalmen und für den geringen Prozentsatz an Männern überhaupt waren die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse. Die rüstige Manneskraft brauchte man natürlich für schwierigere Arbeiten, welche besonders während der Sömmerung bei den Heimgütern in den Talsiedlungen anfielen. Auch das Verarbeiten der Almprodukte war hier noch eher Frauen- als Männerarbeit. Diese Hinweise können wir den Erhebungen von Hermann Sendele (S. 280 – Tabelle und S. 281) entnehmen.

Nachdem im Jahr 1734 der „Gebrauch von Sennerinnen auf den Almen“ durch das Erzbistum Salzburg verboten wurde, durften im Jahr 1767 nur ausgewählte (erkorene) Frauen mit schriftlicher Erlaubnis der geistlichen Obrigkeit wieder die Almhütten betreten. In einem diesbezüglichen Schreiben der erzbischöflichen Regierung an alle Gerichte und Pfarreien vom 18. Mai 1767 heißt es im Matreier Pfarrarchiv, dass „in einigen Orten ohne von geistlicher und weltlicher Obrigkeit hierzu erhaltenen Bewilligungsscheinen sowoll Sendinnen als Hüter auf die Alpen gelassen werden, dannehero höchst dieselbe gnädigst anbefolchen, das in Zukunfft vorbemelten Generalien genauer und pflichtschuldigst nachgelebet, sohin auch eine Sendin von schlechter, ohnerbarer Aufführung, wie nicht minder einem erwachsenen jungen Hüter auf eine Alpen zu gehen, keine Bewilligung ertheillet“. (Sendele, S. 282 – Fußnote 2.)

Generalverdacht gegen Frauen
Die Tatsache, dass sich so viele Frauen in Gemeinschaft mit einigen noch unverheirateten Männern auf den Almen aufhielten, war der für den Gerichtsbezirk Windisch-Matrei zuständigen erzbischöflichen Regierung in Salzburg ein Dorn im Auge, weil es nicht immer ganz moralisch oder sittenrein zuging. „So beklagt sich der Pfarrer von Lienz am 24. November 1780, daß im Sommer ein ganz unerträglicher Mißbrauch herrsche. Daß hier auf den Almen nicht wie anderswo Sennerknechte, sondern ledige Weibspersonen ganz allein oder gar in Gesellschaft lediger Mannsbilder seien. Dies gebe in so einöden Orten und Bergen die beste Gelegenheit zu ärgstem Laster. Diese Leute seien ohne Aufsicht und wegen der Entfernung auch ohne Gottesdienst, ohne Predigt und ohne Sakramente, und das viele Wochen hindurch.“ (Sendele, S. 281.)

Verbot von Frauen auf Almen
Als Draufgabe wurde im Jahr 1804 vom Kreisamt Lienz das Verbot der Verwendung von Weibsleuten auf den Almen im Akt Virgen neuerdings kundgemacht. Im Übertretungsfall musste der Almeigentümer 100 Taler zahlen und die ledige Weibsperson, die als Sennerin diente, wurde mit dem Zuchthaus bestraft.

Allerdings richtete sich diese Regelung nur gegen ledige Weibspersonen als Sennerinnen und nicht gegen verheiratete Frauen. „Die Nachwirkungen dieses Verbotes können wir sogar bis in die heutigen Tage herein verfolgen und feststellen; denn fast durchwegs treffen wir auf den Almen des Tauerntales verheiratete Sennerinnen an.“ (Sendele, S. 282.)

Ein eigenes Arbeitsverbot für ledige Sennerinnen ist u. a. aus dem Jahr 1757 für die Almen in der am Reschenpass gelegenen Gemeinde Nauders erlassen worden. Die geistliche und weltliche Obrigkeit wetterte nämlich vor Ort gegen die „schädlichen“ Bräuche auf den „Alben“, wo „ledige Mannder und Weiber“ als „Senner und Sennerinnen angestellt“ werden.

In weiterer Folge würden diese Personen ein „liederliches Leben“ führen und „in ainer Hütten gar so nachendt“ beieinanderliegen. So steht es in einer Urkunde (fol. 101) aus dem Gemeindearchiv Nauders, die im Tirol-Panorama eigens ausgestellt ist.

Und in den von Georg Schmid im Jahr 1912 herausgegebenen „Urkunden und Akten-Regesten aus dem Dekanats-Archive Stilfes vom Jahre 1300 bis zum Jahre 1810“ (Innsbruck, 261 S., hier: S. 224 – Nr. 1134) findet sich auch für das obere Eisacktal im Jahr 1804 ein derartiges Anstellungsverbot „lediger Weibspersonen als Sennerinnen“ auf den Almen, welches durch das Konsistorium in Brixen dem Dekanatsklerus mitgeteilt und – von Durchführungsverordnungen begleitet – erlassen wurde.

Den Tipp zum Buch „Auf der Alm und im Gamsgebirge“ aus der Reihe „Vergessene Zeugen des Alpenraumes“ (Kral Verlag) hier nachlesen. In den nächsten Monaten veröffentlichen wir weitere Textauszüge aus dem Buch. Mit unserem neuen, kostenlosen Newsletter verpasst ihr keine Inhalte. Gleich unten anmelden!

Quelle:
Autor Georg Jäger
Verlag Kral, Berndorf
Erschienen 2021
445 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien
ISBN 978-3-99024-958-1

Kontaktdaten:
Kral GmbH Buchhandlung
Hernsteiner Straße 3/1
2560 Berndorf
buch@kral-berndorf.at
www.kral-buch.at

Textrechte: Kral Verlag / Georg Jäger

Foto: Gemälde „Auf der Alm“ von Maximilian Wachsmuth, Foto: Kral Verlag / Georg Jäger

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