Holzschindel-Klieben: traditionelles Handwerk, beständig und schön

…Das traditionelle Handwerk der Bergbauern und Waldarbeiter ist Teil des UNESCO Immateriellen Kulturerbes. Siegfried Ellmauer ist Forstwirt, Wald- und Almexperte und kennt sich mit den traditionellen Dacheindeckungen ganz genau aus und bietet zudem auch Kurse für Interessierte an.

Holzschindeldächer sind besondere Blickfänger in der Landschaft und die Arbeit dahinter, das „Schindel kliabn“, ist mehrere Jahrhunderte alt. Alm- und Bergbauern, Waldarbeiter und Zimmerleute führen die Arbeit aus und geben ihr Wissen darüber an die jüngeren Generationen weiter. Holzschindel sind als Deckungsmaterial für Dächer und Wände weitverbreitet und dank eines sehr geringem ökologischen Fußabdrucks besonders umweltfreundlich.

Holzschindel – ein 3000 Jahre altes keltisches Kulturerbe
In Österreich gab es bereits vor 3000 Jahren Holzschindeldächer. Damals waren es die keltischen Bergleute vom Stamm der Halauner, die die Technik des Schindel Kliebens bereits in der späten Bronzezeit beherrschten. Das bestätigen Funde am Hallstätter Salzberg. Dort sind in den tonhaltigen Böden Fichten- und Lärchenschindel erhalten geblieben. Dabei wird die urtümliche Art der Holzbearbeitung, das Spalten des Stammes in seiner Längsrichtung mit einem speziellen Handwerkszeug, dem Schindeleisen, auch Glenseisen (von mhd. kleuzen = spalten) angewendet.

Die Kunst liegt nicht nur darin, wie das Handwerk ausgeübt wird, sondern auch in der richtigen Auswahl des Baumstammes, der Holzarten und im Bestimmen, wann der richtige Zeitpunkt zum Fällen des Baumes gekommen ist. Die Arbeit der Schindelmacher hat sich im Laufe der Jahrhunderte nur wenig verändert und lebt im überlieferten, lokalen Erfahrungswissen der Urberufsstände der Bauern, Holzfäller und Zimmerleute weiter.

Schindelstock mit Spaltkeile
Schindelstock mit Spaltkeile, Putzhacken & Schindeleisen
Mann beim Holzsschindel klieben
Weitergabe des Schindelwissens an Zimmerermann Lukas Aschauer / Steinach

Regionale Unterschiede: Alpenschindel, Nutschindel und windische Schindel
Beim Schindelmachen, das oft während der Wintermonate als Heimarbeit geschieht, gibt es viele Arbeitsregeln. Und wie es für Österreich typisch ist, gibt es beinahe in jeder Region eigene Techniken und Ausführungen. So gibt es nicht nur Kurz- und Langschindel, sondern auch Spanschindel mit stehenden Jahresringen (Rift 60° – 90°). Diese Form ist von Tirol bis Oberösterreich am beliebtesten.

Im Salzburger Lungau finden sich hauptsächlich Brettschindel mit liegenden Jahresringen (Flader 0 – 30°). Im Süden Kärntens und in Slowenien sind es keilige Rückenschindel. Im Wienerwald und Böhmerwald sind es sogar aufwendig genutete Steckschindel, die für Steildächer zum Einsatz kommen und im Bregenzerwald, sowie im Innviertel sind zierlich kleine Schuppenschindel für Fassaden von Bauernhöfen typisch.

Mündliche Überlieferung des Handwerkwissens
Die identitätsstiftende Handwerkskunst wird von erdverbundenen Alm- und Waldbauern, Forstarbeitern (Holzknechten) und Zimmerleuten seit vielen Generationen innerhalb der Familie weitergegeben. Beim gemeinsamen Arbeiten wird das Wissen rund um das fachgerechte Spalten und richtige Dachdecken an die Jüngeren achtsam weitergereicht. Sprachlich gesehen stammt der altbewährte Dialektausdruck „Schindel kliabn“ vom abgeleiteten lateinischen Wort „scindula“ (= Schindel), althochdeutsch „scintula“ und dem altbayrischen Ausdruck „klieben“ für spalten ab.

Die Holzschindel – der ökologische Superbaustoff für Dach und Wand
Holzschindel zeichnen sich durch ihren geringen ökologischen Fußabdruck aus. Sie sind langlebig und ein reparaturfreundliches Naturprodukt für Dächer und Wandverkleidungen. Auch ihre Entsorgung belastet die Umwelt nicht: Können sie doch am Ende ihrer Lebensdauer einfach vom Dach abgebaut, getrocknet und schließlich verheizt werden. Wegen ihrer Umweltfreundlichkeit sind Holzschindel auch in Nationalparks oder Naturschutzgebieten ein gern genutzter Baustoff

Außerdem strahlen sie als Baumaterial eine besondere Ästhetik,   aus und sind im Einklang mit der Landschaft. In der modernen Baukultur gelingt es zudem, die architektonische Zukunft mit dem Schindelholz-Kulturerbe unserer Vorfahren harmonisch zu verbinden. Das zeigen vor allem die vielen Neubauten, deren Fassaden mit dem Schindelmandel verschönert werden.

Moderne Technik in der Produktion: Gefahr für die Handwerkskunst?
Aus Kostengründen werden heute in der Produktion zunehmend hydraulische Spaltmaschinen eingesetzt und das alte Handwerk mit dem Schindeleisen wird aus Zeitgründen in den Schatten gestellt. Auch wurden die traditionellen „österreichischen Alpenschindel“ aus Lärchenholz durch Importe von hochmechanisiert erzeugten Holzschindeln aus Kandada und den USA (Red Cedar), Russland (Sibirien) und Osteuropa (Tschechien, Südpolen, Slowakei) seit Ende des 20. Jahrhunderts verdrängt.

Schindelholz-Kurse in Forstschulen, Präsentation bei Handwerksfesten
Um das traditionelle Handwerk zu fördern, gibt es Kurse zum Schindelmachen an forstlichen Ausbildungsstätten. 2024 finden solche Kurse erstmals auch am neugebauten Forstcampus Traunkirchen im Salzkammergut statt. Um die Holzschindel im städtischen Bereich wieder bekannter zu machen, dienen diverse Veranstaltungen zum Waldkulturerbe. Auf Holzmärkten, Festen zum alten Holzhandwerk, Holzbaumessen, Forst- und Almwirtschaftstagungen oder Adventmärkten kann die Bedeutung der reichhaltigen Schindelholztradition in Österreich wieder vermehrt gezeigt und von Besuchern hautnah erlebt werden. Der Verein Forst & Kultur ist dabei ein wichtiger Partner.

Auszeichnung für Schindler: Aufnahme in die nationale Liste der UNESCO
Jetzt ist es gelungen, das gefährdete bäuerliche Holzschindelhandwerk in der nationalen Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO zu verankern. Mein umfangreiches Ansuchen wurde am 04. Dezember. 2023 von der österreichischen UNESCO-Kommission in Wien einstimmig angenommen. Das Vermächtnis der nicht mehr unter uns weilenden alten Schindelmeister soll allen am Schindelhandwerk Interessierten Auftrag für eine Wiederbelebung dieses 3000-jährigen Kulturerbes sein!

Sapltung tangential
Tangential spalten
Tiroler Spaltung-stehende Jahrringe
Tiroler Spaltung-stehende Jahrringe
Fertige Dreifach-Deckung Lärchendach
Fertige Dreifach-Deckung Lärchendach

Der Sinnspruch des deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuß (1884-1963): “Das Wort H O L Z ist kurz und bündig, doch dahinter verbirgt sich eine einzigartige Welt voll Wunder und Märchen,“ trifft dabei für das vielfältige Wissen um die Holzschindelerzeugung in besonderem Maße zu!

Die nächsten Kurse von Siegfried Ellmauer

  • Praxistag Berghof Thurnergut (05.04.2024): Erzeugung Alpenschindeln aus Lärchen und Schindelratgeber
  • Faszination Bergwald (14. – 15. Juni 2024): Das jahrtausendealte Schindelhandwerk hautnah erleben, auf der Nockeralm im Tiroler Valsertal
  • Praxiskurs Forstcampus Traunkirchen (21. – 22.11.2024): Theorie zu Geschichte & Kulturerbe, Spalttechniken, Schindeln aus Alpenlärche und Weißtanne, Dachdeck-Übungen.

Exkurs: Oberösterreich und die Schindel

In Oberösterreich wird der Schindelholzkultur auf Almen größte Wertschätzung entgegengebracht. Schon seit 1995 gibt es die agrarische „Förderaktion Holzdächer für oberösterreichische Almen“, bei der Almbauern für die Wahl eines neuen Holzschindeldaches einen Baukostenzuschuss von über 50 % aus Landesmitteln erhalten.

Die Aktion ist erfolgreich, denn in den letzten 30 Jahren sind mehr als 75 % aller neuen Dächer mit Holzschindeln gedeckt worden.

Viele Dächer wurden dabei im Auftrag der Bauwerber in Heimarbeit von österreichischen Alm- und Waldbauern aus dem alpinen Raum in der Winterzeit erzeugt. Somit bleibt die Wertschöpfung beim Alm- und Forstwirt im eigenen Land. Diese wichtige Förderaktion zeigt ganz eindrucksvoll, wie wichtig die öffentliche Hand für den Erhalt der Handwerkstechnik und die Konservierung des Wissens um das Kulturerbe der „Holzschindelerzeugung“ im ländlichen Raum ist.

Fotos: Siegrfried Ellmauer

Kontakt
DI Siegfried Ellmauer
Oberweng 26, Berghof Thurnergut
4582 Spital am Pyhrn
Mobil: 0664-4684843
E-Mail: siegfried.ellmauer@ooe.gv.at

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