… Die Wanderung vom Almvieh zwischen den Sommerweiden in den Bergen und den Winterquartieren im Tal ist eine der ältesten Formen der Landwirtschaft in den Alpen. Sie nennt sich Transhumanz und ist mehr als nur ein Almauf- und -abtrieb. Sie ist gelebtes Kulturerbe, geprägt von jahrhundertealten Traditionen und nachhaltiger Nutzung der Alpenlandschaft.
Tirols Transhumanz: Ein lebendiges UNESCO-Kulturerbe
In Tirol, besonders im Ötztal, ist die Transhumanz ein öffentlichkeitswirksames Ereignis: Jährlich ziehen rund 5.000 Schafe und Ziegen von Südtirol über die Alpenpässe ins Ötztal. Die UNESCO hat diese Form der Transhumanz 2011 zum immateriellen Kulturerbe erklärt – ein Ritterschlag für diese jahrhundertealte Praxis, die Kultur, Natur und Landwirtschaft verbindet. Die begleitenden Hirten und treuen Hütehunde machen das Ganze zu einem spektakulären Schauspiel, das sowohl Einheimische als auch Besucher begeistert.
Transhumanz in Niederösterreich: Früher präsent, heute kaum sichtbar
Doch wie sieht es mit Niederösterreich aus? Historisch spielte die Transhumanz auch hier eine Rolle, vor allem in den Alpenvorlandregionen mit Almwirtschaft. Hirten trieben das Vieh von den Winterweiden in den Tälern auf die hoch gelegenen Sommerweiden – ein wichtiger Bestandteil der regionalen Landwirtschaft und Lebensweise.
Heute jedoch ist die öffentlich sichtbare Transhumanz in Niederösterreich kaum mehr präsent. Anders als in Tirol existieren keine festen oder beworbenen Termine für Almauf– oder Almabtriebe. Die Veranstaltungen werden kaum dokumentiert oder medial begleitet, und die Tradition scheint eher im Verborgenen zu schlummern.
Warum verschwindet die Transhumanz aus der öffentlichen Wahrnehmung?
Zum einen verändert sich die Landwirtschaft. Viele Betriebe setzen verstärkt auf intensive oder ganzjährige Stallhaltung, was die saisonale Almwirtschaft zurückdrängt. (Auch wegen der vermehrten Rückkehr der Raubtiere Wolf und Bär.)
Weniger Inszenierung und Öffentlichkeitsarbeit: Veranstaltungen rund um die Almwanderungen werden kaum organisiert oder beworben.
Zum anderen fehlt die Berichterstattung und die Werbung, denn ohne Fotos, Berichte oder Social-Media-Präsenz bleiben diese Traditionen für die breite Öffentlichkeit unsichtbar.
Chancen für die Zukunft – Tradition neu entdecken
Die historische Bedeutung der Transhumanz und die ökologischen Vorteile der Almwirtschaft bieten ein enormes Potenzial, diese Tradition wiederzubeleben – als kulturelles Highlight und nachhaltige Form der Landwirtschaft.
Transhumanz ist ein lebendiges Kulturerbe, das die Verbindung von Mensch, Tier und Natur auf besondere Weise zeigt. Während Tirol mit seiner UNESCO-Transhumanz Vorbildcharakter hat, bleibt Niederösterreich in der heutigen Zeit weitgehend unsichtbar.
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