Mein erster Alpsommer ist intensiv, lehrreich, herausfordernd und unvergesslich. Mit 19 Jahren übernehme ich auf der Bundlägeralp die Hauptverantwortung für die Milchverarbeitung – umgeben von 69 Milchkühen, 34 Mutterkühen, 19 Rindern und 30 Schweinen. Die Schweizer nennen ihre Kühe liebevoll „Gusti“ – und bald werden sie mir ans Herz wachsen.
Zwei Tage bevor die eigentlichen Bewohner der Alp kommen, beziehen wir – das Alpteam – die Alp. Wir bereiten die Käserei, den Stall und das Beizli vor, sodass alles bereitsteht, sobald die Kühe eintreffen. Zwei Tage später ist es soweit: Vom Tschingelsee im Kiental bis zu unserer Alp werden die Kühe aufgetrieben. Manche der Kühe der 24 Bauern fahren mit dem Hänger auf die Alp. Für den Auftrieb und den Abtrieb tragen die Kühe größere Glocken, die in der Schweiz „Trycheln“ heißen. Auf der Alp angekommen, hängen wir die Glocken an der Hütte auf und teilen allen Kühen ihren Platz im Stall zu – das Alpsommerabenteuer beginnt offiziell.


Meine Hauptaufgabe liegt in der Milchverarbeitung, doch nebenbei helfe ich beim Kochen, Kühe treiben, Brot backen, Zäune reparieren und vielem mehr. Als gelernte Milchtechnologin verarbeite ich rund 1500 Liter Milch zu Joghurt, Butter, Mutschli, Raclette und Berner Alpkäse AOP. Handarbeit, Ausdauer und Leidenschaft begleiten mich bei jedem Schritt. Die noch sehr traditionelle Herstellung der Milchprodukte beeindruckt mich enorm. Alle Käse pflege ich über den Sommer hinweg händisch – ein intensiver, aber schöner Rhythmus. Nach etwa sechs Produktionstagen verlagere ich die Alpkäse in einen tiefergelegenen Käsespeicher, da der Keller auf der Alp zu wenig Platz bietet, und pflege sie auch dort täglich weiter.




Die Arbeitstage beginnen um 4:20 Uhr und enden gegen 20:00 Uhr. Sie sind lang und anstrengend. Zu meinen Aufgaben gehört auch, die Kühe – oder Gusti – von der Weide zum Melken zu holen. Nach drei bis vier Wochen steht unser fünfköpfiges Team vor einer großen Herausforderung: Zwei Teammitglieder verlassen uns, nun sind wir nur noch zu dritt. Mehr Arbeit, mehr Zusammenhalt. Wir bekommen viel Unterstützung von Angehörigen, Bekannten und Bauern, und immer wieder gibt es Aushilfen, die ich in die Käserei einarbeiten muss – eine besondere Herausforderung für eine 19-Jährige. Doch gerade diese Aufgaben lehren mich Verantwortung zu übernehmen, auch in schwierigen Zeiten.
Mitte des Alpsommers findet die verpflichtende Alpkäsetaxierung des Berner Alpkäses AOP statt. Mein Berner Alpkäse wird begutachtet und bewertet – ein Moment voller Anspannung, aber auch Stolz, denn die Mühe spiegelt sich in der Punktezahl wider. Danach erfolgt die erste von zwei Käseabgaben an die Bauern. Mit rund fünf Tonnen Käse im Speicher und Keller herrscht Platzmangel. Anhand der Milchabgabe der Kühe berechne ich, wie viel Käse jedem Bauern zusteht, und innerhalb von zwei Tagen ist alles abgeholt. Danach wasche, trockne und räume ich die Bretter wieder ein, damit die neuen Käse darauf reifen können.




Zum krönenden Abschluss erlebe ich den Almabtrieb. Am Tag zuvor binden wir mit Hilfe der Bäuerinnen aus Naturblumen Kränze, Büschel oder Gestecke für die Kühe. Am nächsten Tag beginnt der Abtrieb früh, damit wir die Kühe rechtzeitig melken, waschen und aufbüscheln. Männer tragen Mutz, Frauen Edelweißhemd oder Tracht. Dann wandern wir etwa sechs Stunden durch die Landschaft nach Reichenbach im Kandertal, begleitet von Kuhglocken, festlicher Stimmung und dem stolzen Gefühl, den Sommer gemeistert zu haben.


Am Ende blicke ich auf eine intensive und zugleich schöne Zeit zurück. Besonders die vielen netten Menschen, die ich kennenlernen darf, machen diesen Sommer unvergesslich. Für mich ist er mehr als Arbeit – ich bin mit Leidenschaft und Herz dabei. Kaum ist der Sommer vorbei, geht es für mich weiter mit dem Meisterkurs in Milchtechnologie. Mitgenommen habe ich eine Erfahrung voller positiver Eindrücke, die mich prägen und die ich nie vergessen werde.
Bildrechte: Magdalena Lorenz
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