Die Erinnerung an den ersten Almsommer

… Den Sommer 2021 wird Nathalie Volz wohl nie vergessen. Zum ersten Mal verbringt sie mehrere Monate allein auf der Halsalm in Ramsau bei Berchtesgaden – mit Milchkühen, Kälbern und allem, was das Sennerinnen-Leben so mit sich bringt. Auf ihrem Instagram-Kanal @alm_im_herzen nimmt sie ihre Community mit auf eine Reise in eine andere Welt. Ihre Welt. Zwischen Tradition, harter Arbeit und Momenten, die das Herz berühren. Mit jedem Tag und jeder Aufgabe wächst Nathalie – nicht nur über sich hinaus, sondern auch in ihre Rolle als Sennerin immer mehr hinein. Ein Rückblick:

Seit Mitte Mai bin ich heroben auf der Halsalm in Ramsau bei Berchtesgaden. Nun ist es Ende September und in wenigen Tagen, am 2. Oktober steht der Almabtrieb an. 

Ich habe mich für ein Almmodell entschieden, in dem ich alleine mit 8 Milchkühen, sowie 12 Färsen und Kälbern war. Die Milch wurde zweimal täglich traditionell über dem Holzofen zu Käse verarbeitet. Auf der Alm verköstigte ich die Gäste mit almüblicher Brotzeit. Neben allen Almprodukten wie Milch, Buttermilch und Molke, gab es Butter-, Speck- und Käsebrote, sowie in Öl eingelegten, selbstgemachten Weichkäse. Bei den Wanderern war der Aufstieg auf die Halsalm eine sehr beliebte Tour in der Nähe des weltbekannten Königssees in Berchtesgaden.

Die Tage hier oben sind gezählt. Ich spüre es und die Tiere auch. Der Herbst klopft längst an der Almtüre. Bereits Ende August hatten wir die ersten Schneeflocken zu spüren bekommen und seither viele nasskalte Regentage. Die letzten Tage sind jedoch nicht weniger stressig, denn Wanderer kommen trotzdem, es wird gepackt und der Kopfschmuck der Kühe, hier Fuikl genannt, muss fertiggestellt werden. Dabei biegt man Fichtenäste, sodass 3 Kronen entstehen, diese werden dann mit aus eingefärbten Holzspänen gefertigten Maschen und Sternen bestückt. 

Der Tradition nach, darf das Vieh nur geschmückt bzw. „aufkranzt“ werden, wenn der Almsommer ohne Unglück oder Todesfall für das Vieh und in der Bauernfamilie verlief. Auf der Halsalm muss die Sennerin mindestens eine Fuikl selbst machen. Ab dem Bartholomäustag (24. August) darf begonnen werden, mindestens 30 Stunden Arbeit liegen vor einem bis eine solche Fuikl fertig ist. Bei dem ohnehin vollgepackten Arbeitsalltag war das eine sehr große Herausforderung und mir blieben hierfür nur die Abende und Nächte. Untertags saugte ich noch alle Momente besonders tief ein, in der Hoffnung, dass ich noch lange von ihnen zehren kann, denn ich wusste, der Alltag im Tal hat mich schnell wieder, da ich 2 Tage nach dem Almabtrieb bereits die Schulbank für meine Weiterbildung zur Wirtschaftsfachwirtin drücken werde. Zwischen Wehmut, die Alm zu verlassen und Vorfreude wieder Teil des „normalen“ Lebens zu sein, machen sich alle möglichen Gefühle vor allem in diesen letzten Tagen in mir breit.

Am Vorabend des Almabtriebs begann bereits der Abschied des Stierkalbs Ferdi, der mit dem Anhänger abgeholt wurde. Er kam während der Saison hier oben auf die Welt und bereicherte meine Almzeit sehr. Nachdem ich meine Fuikl am späten Abend endlich fertiggestellt habe, ging ich ans Almkreuz und ich wusste, ab jetzt passiert alles nur noch einmal, die Kuhglocken vor dem Schlafen gehen hören, die Aussicht in der Abenddämmerung, der Sonnenaufgang vom Berg, das Melken und Käsen auf dem Holzofen. Und dann war es soweit, alle Helfer kamen am frühen Vormittag auf der Alm an.

Ich zog bereits mein Dirndl mit traditionell weißer Schürze, die der Sennerin vorbehalten ist, an. Wir frühstückten zusammen, zogen ans Almkreuz für ein Gebet, ein Trompetenstück wurde gespielt und im Anschluss die Tiere aufkranzt. Wir gingen den weiten Weg zurück auf den Bauernhof in Ramsau, auf dem dieser Tag und die Almsaison gefeiert wurde.

Am Abend des Almabtriebs schrieb ich dann diese Worte auf:

Das war er also, mein erster Almsommer.

Über Monate hieß es jeden Tag dem Vieh, den Wanderern, dem Bauern und sich selbst gerecht werden. So viel Verantwortung und immer auf sich alleine gestellt. Noch so müde los laufen um die Kühe zu holen, egal bei welchem Wetter. Kraftlos zu sein, weil man tagtäglich harte körperliche Arbeit leisten muss. Schmerzen zu haben, weil man ein Horn abbekommen oder Sehnenscheidentzündungen in den Händen hat. Ich kämpfte täglich und machte weiter. Es war wohl die Sinnhaftigkeit, die ich in all den Arbeiten gesehen habe, die mich durchhalten ließ. Über all das Negative sieht man hinweg, weil es einfach wunderschön ist, droben auf der Alm.

Heute ging es bei Traumwetter zurück ins Tal. Glücklich. Stolz. Aufkranzt. Der Dank für meinen „Oimsumma, der guad ganga is“.

Bildrechte: Nathalie Volz

Weitere Geschichten vom Leben und Arbeiten auf der Alm gibt’s hier: 

Beiträge zum Suchen und Finden der richtigen Alm-Arbeitsstelle gibt’s hier:

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