Werner Koroschitz und die Eigensinnigkeit der Weidetiere | Kärnten

…Eine Lücke im Zaun bescherte Werner Koroschitz ein Dutzend neugierige Überraschungsbesucher. Er ist derzeit noch auf der höher gelegenen Schoberalm im Kärntner Mölltal. Sein Leben auf der Alm, das liebe Vieh und besondere Erlebnisse beschreibt der Autor und Historiker in einem Gastbeitrag.

Er ist ein Urgestein, was das Kärntner Almleben anbelangt. Buchautor und Historiker Werner Koroschitz verbringt seit 30 Jahren die Sommer als Hirte auf einer Alm im Mölltal. Zum vorletzten Mal berichtet er uns von seinem Almalltag auf der Schoberalm bzw. Großfragant in der Goldberggruppe.

Am 29. August besuchte ich zum 92. Geburtstag meine Mutter in Villach. Andrea, die Partnerin von Josef Pacher (Sepp), dem Almobmann-Stellvertreter, hat mir ihr Auto für die Fahrt ins Unterland geborgt. Am späten Nachmittag war ich wieder zurück.

Pferde warten auf‘s Striegeln
Am nächsten Tag warteten die sechs Pferde vor der Hütte zum Striegeln. Zuvor gab ich ihnen das begehrte Salz und danach griff ich zum Striegel: Eine Ausreibbürste. Nachdem ich dem Wunsch der Pferde nachgekommen bin, versorgte ich das entzündete Euter einer Kuh.

Freudig begutachtet das Pferd die Striegelbürste auf der Großfragant.
Die Pferde stellen sich am Weidezaun zum Striegeln an.
Schoberalm (rechts) und Alm auf der Astener Seite. In der Mitte ist der Weidezaun.

Neugierige Überraschungsbesucher
Am frühen Nachmittag bekam ich Besuch von zwölf Kälbern und Galtvieh von der Nachbaralm. Eine Privatalm. Sie waren durch eine Lücke im Zaun, verursacht wahrscheinlich von Hirschen, auf die Schoberalm spaziert. Als die Dämmerung einsetzte, war ich von dem „Einsatz“ in die Halterhütte zurückgekehrt. Das Vieh wurde zuvor mit Hilfe des Besitzers auf die Privatalm zurückgebracht und die Zaunlücke geschlossen.

Rinder und Pferde sind seit 5. August auf der Schoberalm, wo sie sich unter ständiger Beobachtung des Halters, also meinerseits, befinden. Am Tag des Viehübertriebs war es saukalt mit heftigem Sturm. Als der Almobmann mich darauf aufmerksam machte, dass meine Schnürsenkel offen seien, antwortete ich ihm, dass ich aufgrund der kalten Finger nicht in der Lage sei, diese ordentlich zu schnüren. Fotografieren ging gar nicht.

Vor dem Übertrieb auf die Schoberalm wird der Weg von Steinen gesäubert.
Der Viehübertriebweg von der Großfragant auf die höher gelegene Schoberalm.

Eigensinniges Kalb bei eisigem Wetter
Trotz widriger Wetterbedingungen und eisigen Windes und diverser Sturheiten, insbesondere eines eigensinnigen Kalbes, sind Mensch und Tier wohlbehalten auf der Schoberalm angekommen, wo sich die Treiber in der Halterhütte aufwärmten. Danach gab es Schweinebraten und Bier. Köstlich. Zwei Tage später lag in der Früh die gesamte Alm unter Reif.

Die Halterhütte der Schoberalm (links) und der kleine Stall, inkl. Plumpsklo.
Auf der Sadnigscharte wurde der Zaun schon abgelegt.

Bald Abschied nehmen
Nun, Ende August, sind die Zäune auf der Sadnigalm, großteils schon wieder beseitigt bzw. abgelegt. Es dauert nur noch wenige Wochen, dann heißt es: „Der Summa is umma“. Dann heißt es Abschied nehmen von der Alm. Spätestens dann, wenn das Vieh abgetrieben ist, keine Kuhglocken zum Hören sind, die Alm einsam und ruhig daliegt und die Zäune abgelegt werden müssen.

Zurzeit ist aber noch Gelegenheit für das ein oder andere gesellige Beisammensein oder für nachbarschaftliche Besuche.

Kuhglocke gefunden
Bei einem Ausflug zu dem auf der Nachbaralm gelegenen Rudensee habe ich auf der Astener Alm eine Kuhglocke gefunden. Der Astener Hirte hatte eine große Freude, als ich ihm von meinem Fund erzählte und wenige Tage später ihm diesen vorbeibrachte. Die Kuh hatte die Glocke vier Tage zuvor abgestreift. Abgesehen von der Kuhglocke war es ein freudiges Wiedersehen mit dem Nachbarhalter Friedl und seiner Frau Vevi (Genova).

Fotos: Werner Koroschitz 

Im Oktober wird Werner Koroschitz ein letztes Mal von seinen Erlebnissen auf der Schoberalm bzw. Großfragant im Mölltal berichten. Über sein Buch „Auf der Alm“ hier lesen.

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