Almwiesen statt Asphalt – warum ich lieber die Gummistiefel wähle.
Mein Herz schlägt für unseren Bergbauernhof auf 1.100 Metern Seehöhe, den ich gemeinsam mit meiner Familie im Nebenerwerb bewirtschafte. Mein Vater, Johann Thurner kommt selbst aus einer Landwirtschaft und hat gemeinsam mit meiner Mutter, Brigitte Thurner, die stillgelegte Landwirtschaft von meinem Opa – im Jahre 2007 – wieder ins Leben gerufen. Mein Vater hat den landwirtschaftlichen Meister absolviert und gleich darauf fast alle landwirtschaftlichen Flächen kultiviert und erneuert. Unsere große Leidenschaft gilt der Schafhaltung, genauer gesagt der Zucht von braunen Bergschafen – einer bedrohten, aber wunderschönen alten Tierrasse, die uns Jahr für Jahr mit etwa 90 Lämmern beschenkt.
Landwirtschaft – das bedeutet für mich mehr als nur Arbeit. Es ist eine Berufung, ein Lebensgefühl, eine Verbindung zur Natur, die tiefer geht, als Worte es ausdrücken könnten. Es gibt Tage, an denen ich frühmorgens in der Arbeit sitze und mit dem Kopf schon längst auf der Wiese bin. Und abends, wenn andere den Feierabend genießen, ziehe ich meine Arbeitskleidung an und fahre hinauf zum Stall – zu unseren Tieren, die mich mit ihrer Ruhe und ihrem natürlichen Rhythmus wieder erden.

Wir bewirtschaften etwa 10 Hektar steiles, alpines Gelände. Viele dieser Flächen sind nur zu Fuß oder mit viel Handarbeit erreichbar – das bedeutet: Sense statt Traktor, Muskelkraft statt Maschinen. In Zeiten, in denen Effizienz und Digitalisierung großgeschrieben werden, mag das für manche altmodisch klingen. Für mich ist es echter Luxus. Denn gerade diese mühsame Arbeit schenkt mir Momente, in denen ich ganz bei mir selbst bin – zwischen Wiesenduft, Schafglocken und dem Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Die Bergwiesen liegen fast alle über 1.000 Meter Seehöhe und gehen bis in die Höhe von 1.500 Metern. Teilweise sind die Bergwiesen von vielen bedrohten Pflanzen bewachsen und für viele Tiere ein Rückzugsort. Die Bergwiesen liegen alle Richtung der „Venet-Alm“, die ebenso zur Agrargemeinschaft von Imsterberg gehört.
Oft werde ich gefragt, wie ich das alles unter einen Hut bekomme. Die ehrliche Antwort: Es ist nicht immer leicht. Es braucht Organisation, Durchhaltevermögen und oft auch das Zurückstecken eigener Bedürfnisse. Weil ich sehe, wie die Natur aufatmet, wenn wir sie pflegen – und wie sie uns im Gegenzug mit einer Vielfalt und Schönheit belohnt, die keine Stadt bieten kann.
Als Frau in der Landwirtschaft spüre ich manchmal besondere Herausforderungen. Es gibt nach wie vor Vorurteile – über körperliche Stärke, über Entscheidungsbefugnisse, über die Rolle der Frau am Hof. Doch ich lasse mich davon nicht bremsen. Im Gegenteil: Mein Ehrgeiz, unsere Landwirtschaft aktiv mitzugestalten, ist vielleicht gerade deshalb besonders groß. Ich bin stolz darauf, dass ich mitreden, mitarbeiten und mitverantworten kann. Ich wünsche mir, dass noch viele junge Frauen diesen Weg gehen – mutig, selbstbewusst und voller Freude an der Natur.

Unser kleiner Betrieb zeigt, dass Landwirtschaft auch im Kleinen große Wirkung haben kann. Unsere Schafe grasen auf Wiesen, die ohne ihre Pflege verwalden würden. Wir erhalten damit nicht nur wertvolle Kulturlandschaft, sondern schaffen auch Lebensräume für viele bedrohte Tierarten. Unser Heu, das wir in Handarbeit einbringen, riecht nicht nur wunderbar, es steckt auch voller Kräuter und Bergenergie. Für mich ist das gelebte Nachhaltigkeit – fernab von Schlagwörtern, direkt vor der eigenen Haustür.
Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft wieder mehr sieht, was hinter unserer Arbeit steckt. Dass wir nicht „die mit den Traktoren“ sind, sondern Menschen mit Verantwortung, Wissen und Liebe zur Natur. Dass man uns nicht als Belastung für die Umwelt wahrnimmt, sondern als Teil der Lösung. Denn wer in der Landwirtschaft tätig ist, lebt im ständigen Dialog mit der Natur – und weiß, wie wichtig es ist, im Einklang mit ihr zu handeln.
Es gibt keine romantischere, aber auch keine ehrlichere Arbeit als die auf einem Hof. Sie macht dich demütig, stolz, müde, lebendig – manchmal alles auf einmal. Und sie gibt dir das Gefühl, genau dort zu sein, wo du hingehörst. Für mich ist das der größte Reichtum, den ich mir vorstellen kann.
Bildrechte: Elisa Thurner
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