Kein feierlicher Almabtrieb in Maria Alm wegen vieler Wolfsrisse | Salzburg

…Die Almkühe von Maria Alm im Salzburger Pinzgau tragen beim heurigen Almabtrieb keinen Kopfschmuck. Sie bleiben „ungekränzt“. Das Bauernherbstfest in Mühlbach ist abgesagt. Die Bauern und Bäuerinnen hatten sich gemeinsam dazu entschlossen, weil es im Almgebiet Wolfsrisse gegeben hat. Sie wollen ein Zeichen setzen, Touristiker, Besucher und Einheimische sensibilisieren. Unser Almfuchs hat sich in Maria Alm umgehört.

Der so genannte „Bauernherbst“ ist eine fixe Größe im Kalender der ländlichen Salzburger Tourismus-Hochburgen. Alljährlich ziehen eine Reihe von Veranstaltungen Einheimische wie Gäste in den bäuerlichen Bann. Herzstücke davon sind die vielerorts stattfindenden feierlichen Almabtriebe. Ausgerechnet eine Gemeinde, die die Alm sogar in ihrem Namen führt, schert allerdings heuer aus. Die Almkühe von Maria Alm bleiben dieses Jahr ungekränzt. Aufgrund zahlreicher Wolfsrisse ist den Bauern und Bäuerinnen nicht nach Feiern zumute. Der traditionelle Almabtrieb und das Bauernherbstfest in Mühlbach fallen heuer aus. Unser Almfuchs hat sich auf der Aueralm in Maria Alm/Hinterthal umgehört.

Der Maria Almer „Almabtriebsboykott“ hat hohe Wellen geschlagen. Landes- und bundesweit hat es ordentlich geraschelt im medialen Blätterwald. Das dürfte ganz im Sinne jener Almbauern und Almbäuerinnen sein, die mit ihrer „Nicht-Aktion“ ein gewisses Statement setzen wollen. Einen davon, Andreas Rainer, treffe ich zum Interview auf seiner Aueralm in Maria Alm/Hinterthal.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Nicht zum Feiern zumute
„Es ist uns Almbauern heuer einfach nicht zum Feiern“, sagt Andreas. Mehr als 30 Schafe wurden von jenem Wolf gerissen, der im Bereich Steinernes Meer/Hochkönig seit dem Frühjahr sein Unwesen getrieben hatte, bis er, der Salzburger Landesverordnung gemäß, schließlich erlegt werden konnte. Andreas sei der Wolf einmal am helllichten Tag über den Forstweg gelaufen. Das sei schon ein ganz eigenes Gefühl gewesen, berichtet Andreas. „Es war eine aufregende Begegnung. Es ist in erster Linie keine Angst um Leib und Leben, sondern um unsere Viecher, um unsere Existenz als Bauern.“ Andreas habe bei seinen Kühen in diesem Sommer eine spürbar erhöhte Unruhe bis hin zu Aggressivität gegenüber normalen Haushunden beobachten müssen.  

Hauptgeschädigter der Wolfsrisse sei jener Almbauer gewesen, sagt mir Andreas, der in den letzten Jahren den feierlichen Almabtrieb organisiert hatte. Alle Bauern und Bäuerinnen im Dorf hätten sich daraufhin sofort solidarisch erklärt und so gebe es eben heuer keinen feierlichen Almabtrieb. Dieser findet traditionell nur dann statt, wenn während des Almsommers weder Mensch noch Vieh zu Schaden gekommen sind. Und davon könne heuer keine Rede sein. Man wolle nicht nach außen auf „heile Welt machen“, wenn mit der unerledigten Frage, wie es mit den großen Raubtieren weiter gehen soll, ein Damoklesschwert über der gesamten Almwirtschaft schwebe.

Tourismus sensibilisieren
Man habe ein Statement setzen wollen und zwar zuerst in Richtung Tourismus, erklärt Andreas. Dieser lebe schließlich davon, dass es Alm- und Bergbauern gibt, die jene „Spielwiese“ erhalten, welche die Touristiker so erfolgreich vermarkten und Touristen wie Einheimische so gerne nützen. Der Bauernherbst heiße nicht umsonst so und zeige auf das Schönste diese Zusammenhänge, die gleichwohl so manchem Tourismusverantwortlichen noch immer zu wenig bewusst sein dürften, so Andreas.

Landesbäuerin sieht „gelebtes Brauchtum“
Das siehtauch die Salzburger Landesbäuerin Claudia Entleitner so, deren Hof ebenfalls ein „zweites Stockwerk“ in Form einer Alm besitzt. Sie stehe als Interessensvertreterin und als aktive Almbäuerin voll und ganz hinter der Absage von Maria Alm. Diese Absage folge dem Brauch, dass der unfallfreie Almsommer Voraussetzung zum Bekränzen der Tiere sei. Gelebtem Brauchtum werde hier also der Vorzug gegeben vor einer beschönigenden Tourismusveranstaltung, sagt Entleitner. Sie sieht den Tourismus als Partner und zusammen mit der Landwirtschaft als tragende Säule für das Land Salzburg.. Sie erwarte sich mehr Verständnis von der Tourismuswirtschaft.    

Auf der Homepage des TVB Hochkönig wird über die Absage im Sinne der Geschehnisse wie folgt informiert:

„Wichtige Information: Der traditionelle Almabtrieb im Rahmen der Bauernherbstfeste in Maria Alm und Hinterthal fällt heuer aus und das Bauernherbstfest in Mühlbach findet nicht statt. Grund dafür sind die Wolfsangriffe in der Region, bei denen mehrere Tiere unserer Bauern auf den Almen angegriffen, verletzt oder sogar getötet wurden.“

Andreas Rainer von der Aueralm und alle Bauern und Bäuerinnen von Maria Alm sorgen sich um die Existenz der Almwirtschaft im sensiblen und gleichzeitig dicht besiedelten Alpenraum. „Unsere Landschaft, so wie wir sie kennen mit Almwirtschaft, ist in großer Gefahr“, betont er. Kleine Bauern mit Schafherden würden aufgrund der Wolfsrisse als erstes aufhören. Werden Flächen von keinen Weidetieren gepflegt, wachsen sie schnell zu. „Es ist vielen Leuten nicht bewusst, was die nächsten Jahre passiert. Wir reden von Nahrungssicherheit, Biodiversität, das wird alles in Gefahr sein.“

Zum Ende der Almsaison ist die Sorge der Almbauern und Almbäuerinnen spürbar. Die Frage nach dem Umgang mit den großen Raubtieren und ihrer vermehrten Rückkehr ist noch unbeantwortet. Das trübt die Freude über den heurigen Almsommer.

Mehr Beiträge zum Thema Wolf

Weitere Beiträge aus Salzburg

Noch mehr Videos von der Alm

Die Schafschied in Tarrenz ist ein Fest für die kleinen Helden der Almen | Tirol

Die Schafschied in Tarrenz ist ein Fest für die kleinen Helden der Almen | Tirol

Die Schafschied von Tarrenz im Gurgltal im Tiroler Oberland ist ein Fest für das ganze Dorf. „Schafschoad“ nennen sie es. Alle freuen sich mit, wenn traditionell am zweiten Sonntag im […]

22. September 2023
Weiterlesen
Feierlicher Almabtrieb von der Gogles Alm nach Fließ im Tiroler Oberland

Feierlicher Almabtrieb von der Gogles Alm nach Fließ im Tiroler Oberland

Am Samstag, dem 9. September 2023, fand der traditionelle Almabtrieb von der Fließer Gemeindealm Gogles statt. Schluss- und Höhepunkt einer jeden Almsaison. Nachdem der Sommer unfallfrei verlaufen ist, durften Kühe […]

20. September 2023
Weiterlesen
Auf der Alpe Garnera wird die Tradition vom Sura Kees fortgeschrieben | Vorarlberg

Auf der Alpe Garnera wird die Tradition vom Sura Kees fortgeschrieben | Vorarlberg

Auf der Alpe Garnera im Vorarlberg Montafon wird nach jahrhundertealter Tradition der so genannte Sura Kees hergestellt. Veronika Kartnig, die Sennerin auf Garnera, verrät unserem Almfuchs im Interview, worauf es […]

13. September 2023
Weiterlesen
Starke Frauen auf der Watschiger Alm für den Gailtaler Käse GU | Kärnten

Starke Frauen auf der Watschiger Alm für den Gailtaler Käse GU | Kärnten

An der italienischen Grenze gelegen, ist die Watschiger Alm ein gern besuchtes Ausflugsziel im Sommer. Nicht nur wir Menschen genießen hier die saftig grünen Almflächen. Die 45 Kühe, die hier […]

7. September 2023
Weiterlesen
Thomas Strubreiter ist der moderne Noah von der Archealm | Salzburg

Thomas Strubreiter ist der moderne Noah von der Archealm | Salzburg

Die Archealm am Seewaldsee im Salzburger Tennengau auf bis zu 1.300 Metern Seehöhe ist ein ganz spezieller Ort der Artenvielfalt. Graue Blobe Ziegen teilen sich die Wiesen mit imposanten Rindern: […]

5. September 2023
Weiterlesen
Besondere Artenvielfalt der Archealm am Seewaldsee | Salzburg

Besondere Artenvielfalt der Archealm am Seewaldsee | Salzburg

Kühe und Stiere der Rassen Pustertaler Sprinzen, Original Pinzgauer, Tux-Zillertaler dazu noch Blobe Ziegen: Klingende Namen für altehrwürdige, heute aber extrem seltene Nutztierrassen. Diese Vielfalt findet auf der Archealm am […]

4. September 2023
Weiterlesen
Thomas Strubreiter: Ohne Bewirtschaftung machen alle Wildtiere Probleme

Thomas Strubreiter: Ohne Bewirtschaftung machen alle Wildtiere Probleme

In den österreichischen Alpenraum kehren vermehrt große Raubtiere wie Wölfe, Bären und Goldschakale zurück. Auf unseren Almen werden seit den Auftrieben im Frühjahr zahlreiche Risse durch Wölfe beklagt. Mit Landesverordnungen […]

1. September 2023
Weiterlesen
Käsenockerl von der Steyersberger Schwaig im Wechselgebiet | Niederösterreich

Käsenockerl von der Steyersberger Schwaig im Wechselgebiet | Niederösterreich

Was wären unsere Almen ohne Käsespätzle? Dies kann nur eine rhetorische Frage sein. Denn die in viel würzigem Käse gut gebetteten Eiernockerln sind ein kulinarischer Klassiker beinahe jeder Almhütte in […]

1. September 2023
Weiterlesen
Respekt und Vorsicht mit auf Almtouren nehmen

Respekt und Vorsicht mit auf Almtouren nehmen

Ein kleiner Schritt für dich, ein großer Sprung für Almgebiet, Vieh und Natur. Wir sind hier auf unseren Almen zwar nicht am Mond. Doch die bewirtschafteten Flächen in den Alpen […]

28. August 2023
Weiterlesen
Dr. Susanne Aigner: Artenvielfalt ist auf Almen enorm

Dr. Susanne Aigner: Artenvielfalt ist auf Almen enorm

Es kreucht und fleucht auf unseren Almen. Insekten schwirren, Vögel zwitschern, Spinnen weben ihre Netze, Blumen strecken sich in die Höhe. Dazwischen nimmt sich das Almvieh das saftige Grün vor. […]

22. August 2023
Weiterlesen