Der so genannte „Bauernherbst“ ist eine fixe Größe im Kalender der ländlichen Salzburger Tourismus-Hochburgen. Alljährlich ziehen eine Reihe von Veranstaltungen Einheimische wie Gäste in den bäuerlichen Bann. Herzstücke davon sind die vielerorts stattfindenden feierlichen Almabtriebe. Ausgerechnet eine Gemeinde, die die Alm sogar in ihrem Namen führt, schert allerdings heuer aus. Die Almkühe von Maria Alm bleiben dieses Jahr ungekränzt. Aufgrund zahlreicher Wolfsrisse ist den Bauern und Bäuerinnen nicht nach Feiern zumute. Der traditionelle Almabtrieb und das Bauernherbstfest in Mühlbach fallen heuer aus. Unser Almfuchs hat sich auf der Aueralm in Maria Alm/Hinterthal umgehört.
Der Maria Almer „Almabtriebsboykott“ hat hohe Wellen geschlagen. Landes- und bundesweit hat es ordentlich geraschelt im medialen Blätterwald. Das dürfte ganz im Sinne jener Almbauern und Almbäuerinnen sein, die mit ihrer „Nicht-Aktion“ ein gewisses Statement setzen wollen. Einen davon, Andreas Rainer, treffe ich zum Interview auf seiner Aueralm in Maria Alm/Hinterthal.
Nicht zum Feiern zumute
„Es ist uns Almbauern heuer einfach nicht zum Feiern“, sagt Andreas. Mehr als 30 Schafe wurden von jenem Wolf gerissen, der im Bereich Steinernes Meer/Hochkönig seit dem Frühjahr sein Unwesen getrieben hatte, bis er, der Salzburger Landesverordnung gemäß, schließlich erlegt werden konnte. Andreas sei der Wolf einmal am helllichten Tag über den Forstweg gelaufen. Das sei schon ein ganz eigenes Gefühl gewesen, berichtet Andreas. „Es war eine aufregende Begegnung. Es ist in erster Linie keine Angst um Leib und Leben, sondern um unsere Viecher, um unsere Existenz als Bauern.“ Andreas habe bei seinen Kühen in diesem Sommer eine spürbar erhöhte Unruhe bis hin zu Aggressivität gegenüber normalen Haushunden beobachten müssen.
Hauptgeschädigter der Wolfsrisse sei jener Almbauer gewesen, sagt mir Andreas, der in den letzten Jahren den feierlichen Almabtrieb organisiert hatte. Alle Bauern und Bäuerinnen im Dorf hätten sich daraufhin sofort solidarisch erklärt und so gebe es eben heuer keinen feierlichen Almabtrieb. Dieser findet traditionell nur dann statt, wenn während des Almsommers weder Mensch noch Vieh zu Schaden gekommen sind. Und davon könne heuer keine Rede sein. Man wolle nicht nach außen auf „heile Welt machen“, wenn mit der unerledigten Frage, wie es mit den großen Raubtieren weiter gehen soll, ein Damoklesschwert über der gesamten Almwirtschaft schwebe.
Tourismus sensibilisieren
Man habe ein Statement setzen wollen und zwar zuerst in Richtung Tourismus, erklärt Andreas. Dieser lebe schließlich davon, dass es Alm- und Bergbauern gibt, die jene „Spielwiese“ erhalten, welche die Touristiker so erfolgreich vermarkten und Touristen wie Einheimische so gerne nützen. Der Bauernherbst heiße nicht umsonst so und zeige auf das Schönste diese Zusammenhänge, die gleichwohl so manchem Tourismusverantwortlichen noch immer zu wenig bewusst sein dürften, so Andreas.
Landesbäuerin sieht „gelebtes Brauchtum“
Das siehtauch die Salzburger Landesbäuerin Claudia Entleitner so, deren Hof ebenfalls ein „zweites Stockwerk“ in Form einer Alm besitzt. Sie stehe als Interessensvertreterin und als aktive Almbäuerin voll und ganz hinter der Absage von Maria Alm. Diese Absage folge dem Brauch, dass der unfallfreie Almsommer Voraussetzung zum Bekränzen der Tiere sei. Gelebtem Brauchtum werde hier also der Vorzug gegeben vor einer beschönigenden Tourismusveranstaltung, sagt Entleitner. Sie sieht den Tourismus als Partner und zusammen mit der Landwirtschaft als tragende Säule für das Land Salzburg.. Sie erwarte sich mehr Verständnis von der Tourismuswirtschaft.
Auf der Homepage des TVB Hochkönig wird über die Absage im Sinne der Geschehnisse wie folgt informiert:
„Wichtige Information: Der traditionelle Almabtrieb im Rahmen der Bauernherbstfeste in Maria Alm und Hinterthal fällt heuer aus und das Bauernherbstfest in Mühlbach findet nicht statt. Grund dafür sind die Wolfsangriffe in der Region, bei denen mehrere Tiere unserer Bauern auf den Almen angegriffen, verletzt oder sogar getötet wurden.“
Andreas Rainer von der Aueralm und alle Bauern und Bäuerinnen von Maria Alm sorgen sich um die Existenz der Almwirtschaft im sensiblen und gleichzeitig dicht besiedelten Alpenraum. „Unsere Landschaft, so wie wir sie kennen mit Almwirtschaft, ist in großer Gefahr“, betont er. Kleine Bauern mit Schafherden würden aufgrund der Wolfsrisse als erstes aufhören. Werden Flächen von keinen Weidetieren gepflegt, wachsen sie schnell zu. „Es ist vielen Leuten nicht bewusst, was die nächsten Jahre passiert. Wir reden von Nahrungssicherheit, Biodiversität, das wird alles in Gefahr sein.“
Zum Ende der Almsaison ist die Sorge der Almbauern und Almbäuerinnen spürbar. Die Frage nach dem Umgang mit den großen Raubtieren und ihrer vermehrten Rückkehr ist noch unbeantwortet. Das trübt die Freude über den heurigen Almsommer.
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